Verheißungsvolle Sehnsucht
hatte sie ihn nicht angerufen? Warum war sie nicht zu ihm gekommen, warum hatte sie nicht um Hilfe gebeten? Nach ihrer Unterhaltung hätte sie eigentlich wissen müssen, dass er sich um sie kümmern würde. Er fluchte leise und kehrte an den Tisch zu den anderen zurück. Sie schauten auf, und sofort trat ein besorgter Ausdruck in ihre Augen. Es war ihm offensichtlich nicht gelungen, seine Stimmung zu verbergen.
»Tut mir leid, dass ich den Abend vorzeitig beenden muss, aber ich muss los. Brittany, ich werde es wiedergutmachen. Versprochen. Jace und Bethany, ich danke euch beiden, dass ihr gekommen seid. Und bitte, esst noch zu Ende. Wir sehen uns.«
Er wollte sich schon umdrehen, als Jace ihn ansprach.
»Ash? Alles in Ordnung?«
Ash bedachte ihn mit einem Blick, von dem er wusste, dass Jace ihn richtig deuten würde. Er würde wissen, dass es etwas mit Josie zu tun hatte, und er würde es verstehen. Jace nickte kurz und wandte sich dann wieder lächelnd den Frauen zu, um beide in eine Unterhaltung zu ziehen.
Ash stieß einen erleichterten Seufzer aus. Er war Jace dafür, dass er ihm den Rücken freihielt, einen Gefallen schuldig. Eilig griff er nach seinem Handy und rief seinen Fahrer an. Wenn Josie zur Galerie wollte, würde sie anschließend vermutlich direkt nach Hause fahren. Die Bilder aus der Galerie würde er später kaufen. Jetzt wollte er erst einmal zu ihrer Wohnung, um dort auf sie zu warten. Dann würden sie ein ernstes Wörtchen miteinander reden.
10
Josie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als das Taxi an der Straßenecke vor ihrer Wohnung zum Stehen kam. Eigentlich hatte sie sich gar nicht vor die Tür getraut, aber sie hatte Mr Downing unbedingt weitere Bilder bringen wollen. Das Geld aus dem Verkauf der ersten Werke würde zwar ein paar Monate reichen, aber sie wollte ihm neue Arbeiten liefern, damit der Käufer nicht das Interesse verlor oder sogar annahm, sie hätte nichts mehr anzubieten. Sie bezahlte den Fahrer und stieg aus, während ihre Hand wie von selbst zu der geschundenen Wange wanderte. Sie zuckte zusammen, als ihre Finger über den Mundwinkel strichen, wo die Lippe aufgerissen war. Mit gesenktem Kopf eilte sie über den Bürgersteig zu ihrer Wohnung. Sie wollte so schnell wie möglich ins Haus verschwinden, wo sie von niemandem mehr gesehen werden konnte.
Obwohl es nichts gab, dessen sie sich hätte schämen müssen, war sie immer noch betroffen, geschockt von dem, was geschehen war. Vollkommen geschockt, dass Michael sie in ihrer Wohnung besucht und die Nerven verloren hatte, zum allerersten Mal. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Eigentlich hätte sie Anzeige erstatten müssen. Sie hätte noch viel mehr tun müssen, aber sie war zu benommen gewesen, um die Tragweite zu erfassen. Und so hatte sie sich stattdessen in ihrer Wohnung vergraben und wie eine Wahnsinnige gearbeitet, um sich von den Geschehnissen der vergangenen Woche abzulenken.
Sie wusste, dass sie Ash eine Antwort schuldete. Eine Erklärung. Irgendetwas! Sie hatte ihm gesagt, dass es nicht lange dauern würde, aber sie konnte ihm doch so, wie sie jetzt aussah, nicht gegenübertreten – mit Prellungen und Platzwunden, die ihr der Mann zugefügt hatte, der ihr Dom gewesen war.
Natürlich war das jetzt nur noch lächerlich. Er war gar kein richtiger Dom. Er hatte es nur gespielt, für ihn war die Sache eine Art Egotrip gewesen. In dem Moment, als er gemerkt hatte, dass sie es mit der Trennung ernst meinte, hatte er sich verändert. Ihr Fehler war es gewesen, Ash überhaupt zu erwähnen. Sie hatte seinen Namen zwar nicht genannt, Michael aber gesagt, er könnte ihr die Dinge, die ein anderer Mann ihr versprochen hatte, nicht geben. Im Moment war sie sich da allerdings nicht mehr so sicher, vielleicht war Ash ja keinen Deut besser. Sie wusste so gut wie nichts über ihn. Sie war bereit gewesen, auf seinen Vorschlag einzugehen, hatte sich tatsächlich schon vorgenommen, ihn anzurufen, als am selben Tag plötzlich Michael in ihrer Wohnung aufgetaucht war. Seit dem Fiasko war ihr Selbsterhaltungstrieb zum Leben erwacht, und sie hegte Zweifel.
Wenn Ash nun noch intensiver vorging als Michael – was auf der Hand lag –, würde er ihr dann unter Umständen die gleiche Behandlung angedeihen lassen? Oder sogar Schlimmeres?
Ihr schwirrte der Kopf, und sie wusste, dass sie nicht in der Verfassung war, eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen, mit der sie einem Mann wie Ash ihr Vertrauen schenkte, ihr
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