Verhext: Roman (German Edition)
Immer.«
Nats Freude weckte ihr Schuldbewusstsein. »Tut mir leid, dass wir überhaupt keine Zeit zum Plaudern hatten. Die letzten Tage waren wirklich turbulent.«
»Deswegen sind wir hierhergekommen, Lauren. Ich weiß, du musst viel lernen und hast nicht viel freie Zeit. Ich komme schon klar. Gestern war ich Bergwandern mit Nell und ihren Mädchen, und heute Abend holt Jennie mich zum Yoga-Unterricht ab.«
Lauren registrierte das auffällige Fehlen von Jamies
Namen auf dieser Liste. Sie zog die Deckel von den Eisbechern und reichte Nat einen. »Wann habt ihr, du und Jennie, denn diese Idee mit dem Yoga-Unterricht heute Morgen gehabt?«
»Eigentlich schon beim ersten Abendessen. Ich habe ihr geholfen, die Kameraausrüstung in den Wagen einzuladen, und dabei ihre Yogamatte gesehen. Ich glaube, ich habe nur Sekunden später zugestimmt, hier Unterricht zu geben. Sie verliert keine Zeit.«
Und sie hatte dafür gesorgt, dass sich Nat unter all den Hexen willkommen fühlte. Die gute Jennie. »Du solltest mal versuchen, ihre Schülerin zu sein. Aber der Unterricht war ziemlich cool. Und Aervyn ist wirklich witzig. Er hat ihr mentale Bilder von dir geschickt, wie du dich wie eine Brezel verbogen hast. Er mag dich.«
»Ich mag ihn auch. Es ist schwer, ihn nicht zu mögen.«
»Wie sehr ähnelt er dem kleinen Jungen in Jamies Vision? Da ich nur den Schnelldurchlauf gesehen habe, kann ich es nicht wirklich sagen.«
Nat hielt mit dem Löffel auf halbem Wege zum Mund inne. »Sehr.«
»Wie fühlst du dich dabei?«
Nat malte mit dem Löffel Kreise auf ihr Bein. »Hast du die Yoga-Stunde heute Morgen wiedererkannt?«
»Wiedererkannt?«
»Es war eine von Jamies Präkog-Visionen – Morgen-Yoga auf der Wiese. Ich habe das Tanktop, das ich anhatte, wiedererkannt und den Sonnengruß. Das war keine meiner üblichen Sequenzen.«
Lauren versuchte, sich an die Bilder in Jamies Vision zu erinnern. »Kam nicht zuerst das Tanzen?«
Nat schob sich einen großen Löffel Eis in den Mund und grinste. »Ja. Das war gestern Abend.«
Daraufhin hob Lauren nur eine Augenbraue. Rede, Mädchen .
»Erinnerst du dich an die große Weihnachtsszene in Jamies Vision?«
»Die, in der du von so vielen Leuten umringt bist?«
»Richtig. Das ist Nells Haus. Wir haben da gestern nach dem Bergwandern Halt gemacht. Ihre Drillinge – in Jamies Erinnerung sitzt eine von ihnen neben mir.«
Was Jamie sicher bewusst war, dachte Lauren. Sie versuchte, ihrer Freundin ein wenig gedanklichen Spielraum zu verschaffen. »Dafür könnte es einen einfachen Grund geben, Nat. Vielleicht kommen wir Weihnachten zu Besuch oder so.«
Nat schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Und Ginia – der Drilling, der neben mir sitzt – hat noch ihre Zahnspange. Ich denke, die Vision handelt vom kommenden Weihnachten. Wenn es sein soll, dann wird es sicher bald geschehen.«
Nat sollte in einem Jahr oder zwei verheiratet sein und ein Kind haben? Lauren kämpfte gegen den selbstsüchtigen kleinen Anflug von Leere und Neid an. »Das ist eine große Sache, Nat. Bist du dazu bereit?«
»Für eine Familie wie diese war ich mein ganzes Leben lang bereit. Hast du sie alle zusammen beim Abendessen gesehen, als wir hier ankamen? Jedes einzelne Mitglied dieser Familie ist von Liebe umgeben.« Nat schlang die
Arme um ihre Brust. »Ich habe ein bisschen Angst, dass ich den Mann nur nehme, um seine Familie zu bekommen.«
Sie ist so ausgeglichen, dass man manchmal das kleine traurige Mädchen in ihr vergisst, dachte Lauren. Nells und Jamies Familie wirkte auf Nat wie der Gesang der Sirenen: die eng verbundene, liebende und lärmende Familie, die sie niemals hatte. Nat war auf bestem Wege, dafür alles aufs Spiel zu setzen, wenn sie es nicht schon längst getan hatte. Jamie, pass bloß gut auf sie auf .
Vielleicht tat er das ja schon. »Er ist ein guter Kerl – ich mag ihn. Und über das Tanzen von gestern Abend bist du verdächtig schnell hinweggegangen. Erzähl.«
Nat wurde erneut rot. »Das war keine große Sache. Wir sind ein bisschen ausgegangen. Erst Tanzen, und dann haben wir noch einen Spaziergang am Strand gemacht.«
»Du bist mit einem umwerfenden Hexer am Strand spazieren gegangen, und das soll keine große Sache sein? Netter Versuch. Hast du ihn geküsst?«
»Nicht ganz.«
Lauren lachte. »Wie alt bist du, zwölf? Was ist passiert?«
Nats Wangen wurden noch rosiger. »Er hat mich geküsst.«
»Seit wann wirst du rot, wenn du übers Küssen
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