Verhext: Roman (German Edition)
oder her, wenn Lauren der Channeler ihres Sohnes wurde, gab es ein paar Dinge, die sie wissen musste.
»Zauberer brauchen Channeler, die dafür sorgen, dass der Machtfluss stabil bleibt. Das ist keine geringe Verantwortung. Wenn du gestern gezögert hättest, hätten wir alle vom Himmel herunterstürzen können, und Aervyns Kanäle wären möglicherweise schwer beschädigt – oder Schlimmeres.«
Lauren wurde bleich. Doch das war nichts verglichen mit Nats Wut. »Ich dachte, es war ein Übungskreis. Was habt ihr euch denn nur dabei gedacht?«
Auch Nell war aufgebracht. »Mein Kind war in Gefahr. Glaubst du etwa, das hätte ich absichtlich getan? Das hätte ich freiwillig in Kauf genommen? Wir hatten ja keine Ahnung, Nat – absolut keine Ahnung.« Es war eine wundervolle Erfahrung gewesen, aber auch eine, die ihr wochenlang Albträume bescheren würde.
Sie holte tief Luft und versuchte eine Erklärung. »Aervyn hat dem Kreis Macht hinzugefügt, was eigentlich unmöglich sein sollte. Das bedeutet, dass wir drei – Jennie, Jamie und ich – keine Kontrolle darüber hatten, wie viel Macht floss.«
Sie wandte sich an Lauren. »Eure Rollen waren neu für euch beide, deswegen hattet ihr keine Ahnung, dass ihr auf einem Drachen geritten seid. Wir anderen waren uns darüber klar, konnten aber nichts anderes tun, als uns festzuhalten und es geschehen zu lassen. Denn den Zauber zu unterbrechen wäre noch riskanter gewesen.«
Und verdammt noch mal, ihr kleiner Junge hat diesen Zauber um seinen Finger gewickelt und zum Singen gebracht. Vor Stolz wurde sie fast trotzig. »Aervyn hatte ihn vollständig unter Kontrolle. Jamie und ich haben für Hunderte von Kreisen gezaubert. Wir hätten es gemerkt, wenn er den Zauber verloren hätte.«
Sie stockte. Woher kam dieser Schluchzer in ihrer Stimme? »Er war nicht einmal in Gefahr, ihn zu verlieren. Er ist mein kleiner Junge, aber was er gestern getan hat, war die beeindruckendste Zauberei, die ich je erlebt habe.«
Nat setzte sich neben Nell auf das Bett und umfasste ihre Schultern. »Du musst sehr stolz auf ihn sein.«
Nell lehnte sich an sie. »Und zu Tode erschrocken.«
Sie blickte Lauren an. »Ich will dich nicht unter Druck setzen, aber ich dachte, du solltest dir über all das klar sein. Wenn du Aervyns Channeling-Partner bist, trägst du eine enorme Verantwortung für seine Sicherheit und die der anderen. Das heißt, du musst üben, üben, üben. Wir alle werden dir dabei helfen, aber das Engagement muss von dir kommen.«
Lauren sah zutiefst frustriert aus. »Nell, wie soll ich das machen? Ich lebe in Chicago. Mein Leben ist in Chicago. Ich komme hierher für die Ausbildung, so oft ich kann, aber bisher habe ich ja kaum meine Mentalhexenkräfte unter Kontrolle. Wer, zum Teufel, würde einer neuen Hexe so viel Verantwortung zumuten?«
Nell kämpfte mit sich, entschied sich dann aber für die ehrliche Antwort. »Ich selber hätte diese Wahl nicht getroffen, aber die Entscheidung lag nicht bei mir.«
»Bei mir sicher auch nicht. Ich habe nicht darum gebeten.« Wenn Lauren einmal in Fahrt war, offenbarte sie ein beeindruckendes Temperament.
»Ich weiß.« Nell holte tief Luft. »Es tut mir leid, ich bin nicht gekommen, um mich mit dir streiten. Du hast genau das Richtige für Aervyn getan, und das ohne jede Vorbereitung.«
»Du bist gekommen, um mich zu warnen.«
»Ich bin gekommen, weil ich glaube, dass du es wissen solltest. Die meisten Channeler würden es als große Ehre empfinden.«
»Nell, ich weiß erst seit ein paar Tagen, dass ich so etwas kann. Und fünfzig Prozent meiner Channeling-Erfahrung besteht aus einer Cat-Woman-Illusion an einem Esstisch. Ich bin noch nicht bereit dafür.«
Nell reichte Lauren die Eiscreme. »Ich habe wirklich nicht die Absicht, dir Angst zu machen. Und ich wollte damit keinesfalls sagen, dass du nächste Woche schon alles draufhaben musst. Wir wissen, dass du ein Leben woanders hast, und das respektieren wir, so gut wir können. Komm, wenn du kannst, übe, wann und wie es dir möglich ist. Die Ausbildung dauert ihre Zeit, und niemand wird dich bitten, etwas zu tun, zu dem du noch nicht bereit bist.«
Laurens Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ach, wirklich?«
Ihr Zweifel war nicht ganz unberechtigt. »Na ja, wenigstens nicht absichtlich. Aber eine der Herausforderungen in der Arbeit mit Aervyn wird sein, dass er immer wieder etwas tut, das eigentlich völlig unmöglich erscheint.«
»Und niemand kommt auf die
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