Verhext: Roman (German Edition)
Hause. Er hat eine beeindruckende Gabe.«
»Ist der Künstler ebenfalls ein Empath?«
»Ja«, sagte Jennie. »Wenn du möchtest, kann ich auch bei ihm einen Besuch arrangieren. Ich wollte, dass du siehst, wie andere Mentalhexen ihre Fähigkeiten im
Alltag und für ihre Arbeit nutzen. Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, wie das alles zu der Person passt, die du zu Hause in Chicago bist.«
Lauren zuckte mit den Schultern. »Es ist alles noch so neu, und mir kommt es so vor, als gäbe es keine klaren Regeln dafür, wann und wie ich das nutzen kann, was ich habe. Ich bin nie jemand gewesen, der ein kompliziertes Leben wollte.«
»Es muss gar nicht so kompliziert sein, obwohl es eine Weile dauern könnte, bis es wieder einfacher wird. Komm, ich stelle dir meine Freundin Tabby vor. Vielleicht ist das, was sie dazu zu sagen hat, interessant für dich.«
»Sie arbeitet sonntags?«
»Normalerweise nicht, aber manche ihrer Kinder brauchen viel Ruhe um sich, deswegen hält sie auch außerhalb der regulären Arbeitszeit Sitzungen ab.«
»Was für eine Art Center ist das hier?«
»Tabby hilft Familien – insbesondere Familien mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Wenn ein Kind anders zur Welt kommt, kann es so etwas wie Risse verursachen im Hinblick darauf, wie Familien lieben und kommunizieren und funktionieren. Sie hilft, diese Risse zu kitten.«
»Ich schätze mal, Hexen können ganz gut nachvollziehen, was es heißt, anders zu sein.«
Jennie legte Lauren den Arm um die Schultern. »Ja, das glaube ich auch.«
Die Tür zum Center öffnete sich, und eine umwerfend schöne Frau trat heraus. Das musste Tabby sein. »Jennie, wie schön, dich zu sehen! Ich habe deine Ankunft gespürt.
« Begeistert drückte sie Jennie an sich und wandte sich dann Lauren zu, um ihre Hände zu nehmen. »Ich bin Tabitha und bin entzückt, Sie kennenzulernen. Bitte, kommt rein. Ich habe ein paar Schokoladendonuts retten können.«
Sie folgten ihr in einen weitläufigen Raum, der aber dennoch nicht wie eine Lagerhalle wirkte, sondern eher an eine Bienenwabe erinnerte. Möbel, Pflanzen, halbhohe Wände und Regale bildeten viele kleine, behagliche Inseln und Spielecken für Kinder, die alle auf eine größere Fläche in der Mitte hin ausgerichtet waren. Dort drehte sich ein kleiner Junge mit einem glücklichen Ausdruck auf dem Gesicht um sich selbst.
»Das ist Jacob«, sagte Tabitha. »Sich um sich selbst drehen ist seine Lieblingsbeschäftigung.«
»Warum?«, fragte Lauren.
Tabitha wies in Richtung der Bodenkissen. »Warum findest du es nicht selber heraus?«
»Ich soll in seinen Kopf gucken? Ist das in Ordnung?«
»Ja. Die Eltern und Familien der Kinder, mit denen wir arbeiten, wissen, dass wir unorthodoxe Methoden anwenden, um ihre Kinder zu verstehen. Und sie wissen natürlich, dass ich empathische Fähigkeiten habe. Kinder mit besonderen Bedürfnissen sind für ihre Familien manchmal ein unergründliches Rätsel. Wenn sie etwas mehr darüber herausfinden, was ihr Kind will und braucht, hilft das, die Beziehung zwischen ihnen zu stärken.«
Das ergab Sinn. Lauren blickte hinüber zu dem sich drehenden Jungen und seinen Eltern, die ganz in der
Nähe saßen. Sie suchte ihre Mitte und baute vorsichtig eine Verbindung zu dem Jungen auf.
Sie spürte die wilde Freude, die er beim Drehen empfand. Die Luft an seinen Fingern, die Schwere seines Kopfes, die verschwommenen Farben. Als er stolperte und hinfiel, war sein ganzes Wesen erfüllt von der Freude, fest mit dem Boden verbunden zu sein. Als das Gefühl abebbte, sprang er auf und begann erneut sich zu drehen.
»Das Drehen verankert ihn mit dem Boden«, sagte sie.
Tabitha sah sie interessiert an. »Erzählen Sie mir mehr darüber.«
»Nun, er mag die Empfindungen, die er beim Drehen hat – den Wind und die Farben, die Art, wie das Drehen an seinem Körper zieht.«
Tabitha nickte. »Das passt zu dem, was ich von ihm empfangen habe.«
»Dann, wenn er hinfällt, gibt es einen Moment, in dem er den Boden unter sich besonders intensiv spürt. Das ist der glücklichste Moment für ihn. Wenn dieses Gefühl, verankert zu sein, nachlässt, fängt er wieder an, sich zu drehen.«
Tabitha machte ein überraschtes Gesicht. »Dann sind Sie nicht nur Empathin, sondern auch sensorische Telepathin?«
Jennie lächelte. »So ist es, und in beiden Gebieten ist sie sehr sensibel.«
»Zumindest hat sie etwas herausgefunden, das ich nicht habe sehen können.« Tabitha wandte sich wieder an
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