Verhext
Erpresser auch alleine ausfindig gemacht hätte.« Iphiginia nahm den Saum ihres Umhangs und ihre Röcke in eine Hand und schwang ein bestrumpftes Bein über den Sims.
Marcus betrachtete wehmütig ihre eleganten Gliedmaßen und dachte daran, wie sie aussehen würden, wenn sie die weißen Laken seines riesigen Bettes zerwühlten.
Später. Iphiginia gehörte ihm, das war das einzig Wichtige. Er konnte sich entspannen. Sie gehörte ihm, seit sie sich am Nachmittag vor einem Pfarrer das Jawort gegeben hatten.
Sie war jetzt seine Frau.
Zufriedenheit wallte in ihm auf, als er ihre Taille umfaßte und sie durch das Fenster hob. So aus dem Stegreif fiel ihm keine andere Frau ein, die ihre Hochzeitsnacht mit der Durchsuchung des Schreibtisches eines Erpressers hätte verbringen wollen, aber Iphiginia war eben ein echtes Original.
Marcus war zu dem Schluß gekommen, daß er es sich nun, da er sich ihrer sicher war, leisten konnte, ihren Wünschen nachzugeben.
In Wahrheit war er nicht sonderlich begeistert gewesen von der Idee, Hoyts Wohnung zu durchsuchen, aber er hatte sich gesagt, daß es zumindest nicht besonders gefährlich war. Schließlich war Hoyt ein Partylöwe. Er war jede Nacht bis zum Morgengrauen unterwegs. Und sein Diener hatte es sich, soweit Marcus wußte, zur Angewohnheit gemacht, die Abende in einer Taverne zu verbringen.
»Zieh die Vorhänge zu«, befahl Iphiginia leise, während sie die Laterne anzündete.
Folgsam drehte sich Marcus zum Fenster. Dann musterte er das Zimmer im Licht von Iphiginias Laterne. Es war ein gemütlicher Raum, durchaus passend für einen alleinstehenden Herrn mit bescheidenen finanziellen Mitteln. In einer Ecke stand ein Schreibtisch, und an einer Wand befand sich ein Bücherregal. Vor dem Kamin stand ein Schaukelstuhl, und auf dem Tisch daneben eine halbleere Brandyflasche und ein Glas.
»Hoyt scheint das Geld, das er mit seinen Erpressungen verdient hat, zumindest nicht in seine Wohnung investiert zu haben«, bemerkte Marcus.
»Nein, aber er bestellt seine Anzüge bei Weston, und er hat sich erst vor kurzem eine eigene Kutsche gekauft. Du weißt, was so was kostet.« Iphiginia durchsuchte eilig den Schreibtisch. »Und dann ist da noch das Gebäude, das er dem echten Dr. Hardstaff abgekauft hat. Das muß ziemlich teuer gewesen sein.«
»Und das Grabmal auf dem Friedhof in Reeding.« Marcus zog eine Schublade in der Kommode auf, die an der Wand stand, und entdeckte einen Stapel frisch gewaschener und gestärkter Krawatten.
»Es fällt mir schwer zu glauben, daß ein Mann, der bösartig genug ist, um zu morden und zu erpressen, seiner Mutter ein derart prächtiges Denkmal setzt.« Iphiginia stieß einen leisen Pfiff aus.
»Aha.«
»Was heißt hier aha?«
»Es heißt, daß die Schreibtischschubladen nicht verschlossen sind.« Iphiginia begann, in der obersten Schublade herumzuwühlen.
Marcus ging quer durch das Zimmer. »Ich hasse es zwar, etwas Offensichtliches zu erwähnen, aber wenn der Schreibtisch nicht abgeschlossen ist, liegt das zweifellos daran, daß nichts Wichtiges drin ist.«
»Unsinn. Das muß nicht sein. Es heißt einfach, daß Herbert das Wachs und das Siegel nicht für gefährlich hält.«
»Dann ist er wohl doch nicht so intelligent, wie ich angenommen hatte.« Marcus beobachtete mit gerunzelter Stirn, wie Iphiginia den Wachstiegel öffnete. »Und?«
»Rotes Wachs«, stellte sie enttäuscht fest. »Aber vielleicht gibt es ja irgendwo noch einen Wachstopf. Und das Siegel muß auch irgendwo sein.«
Doch nach zwanzig Minuten hatten sie weder das eine noch das andere gefunden.
»Das verstehe ich nicht.« Iphiginia stand mitten im Raum und wippte ungeduldig mit dem Fuß. »Die Sachen müssen doch hier sein.«
»Nicht unbedingt.« Marcus wollte wieder gehen. Es war ja schön und gut, seiner Braut einen Wunsch zu erfüllen, aber irgendwann reichte es. »Vielleicht trägt er die Dinge mit sich herum, oder er hat sie in einem Safe, den wir nicht entdeckt haben. Es gibt zahllose Stellen, an denen man so kleine Gegenstände wie einen Wachstiegel und ein Siegel verstecken kann.«
»Ich weiß, wo er solche Dinge aufbewahren würde.« Iphiginia war plötzlich wieder hellwach. »In Dr. Hardstaffs Museum der Göttinnen der Manneskraft.«
Marcus stöhnte. »Ich glaube wirklich nicht, daß es viel Sinn hat, das Museum zu durchsuchen. Was ist, wenn gerade einer seiner Patienten eine Behandlung bekommt?«
»Zumindest ist es den Versuch wert.« Iphiginia löschte
Weitere Kostenlose Bücher