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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sagte: »Nein, es ist die
Wissenschaft, die die Antworten hat. Nicht ein illusorischer
Gott!« Und Judy antwortete nicht ohne Logik: »Wenn Er
illusorisch ist, wieso kommt es, daß ich es darauf anlege, Ihn
zu töten?« Und sie lief weiter den Hang hinab.
    »Aufwachen, verdammt noch mal!« Botts. Sie war nicht bei
ihrem Vater, sie war in dieser Hütte, und der Nacken tat ihr
weh, weil sie zusammengesunken auf dem Stuhl eingeschlafen war.
»Machen Sie die Kinder fertig! Sie sind da!«
    Er warf ihr Jacken und Fäustlinge zu, und da hörte Judy
die Autos draußen im Schnee. Penny war wach und nieste.
Saralinda atmete immer noch leise pfeifend, aber sie hatte Blut im
Mundwinkel, und ihre Haut war klamm und kalt.
    Judy beugte sich über sie hinweg und hob Penny vom Bett hoch.
David rührte sich nicht. Draußen schrie eine Stimme:
»Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen aus der
Tür!«
    Botts stand reglos da, Davids Parka in der linken Hand. Judy
konnte sein Gesicht gut sehen, seine Züge sackten plötzlich
ein, und die Augen wurden heller, als wollten sie sich auflösen,
als hätte sich das, was ihnen Tiefe verliehen hatte, mit
einemmal verflüchtigt. Sie wurden matt und glanzlos und so
passiv wie ein Spiegel, der nur das reflektierte, was um ihn herum
vorging.
    Er ließ die Parka fallen, riß den schwarzen Vorhang
zur Seite und begann zu schießen.
    Glas zersprang. Penny schrie hysterisch auf. Das kleine
Mädchen immer noch in ihren Armen, ließ Judy sich zu Boden
fallen und schob Penny unter das Bett; ihre Finger tasteten nach dem
Schürhaken.
    Sie packte ihn und schlich sich hinter Botts, der mit dem
Rücken zu ihr am Fenster stand und hinausfeuerte. Aber er
mußte sie gehört haben, denn er drehte sich in dem Moment
um, als sie den Haken schwang, und duckte sich darunter weg. Er
packte den Haken mit der Linken und wand ihn ihr aus der Hand. In
seiner Rechten hielt Botts immer noch seine Waffe, und für einen
langen Augenblick starrte sie ihn an – oder fühlte es sich
nur an wie ein langer Augenblick, weil es ihr letzter war, ehe sie
sterben mußte? Doch dann klapperte etwas: der Feuerhaken, der
zu Boden fiel. Sie blickte ihm überrascht nach, denn das Bild,
wie es sich in ihrem Kopf darstellte, zeigte Botts, der sie mit dem
Haken erschlug und nicht mit dem Revolver erschoß – der
Kinder wegen. Er würde nicht wollen, daß die Kinder das
Blut zu sehen bekamen.
    Penny schrie immer noch unter dem Bett, und Judys Blick wanderte
vom Schürhaken auf dem Boden hinüber zum Bett und erreichte
es gerade noch, ehe der Griff des Revolvers auf ihrem Hinterkopf
landete, und alles einfach verschwand – wie Gott, damals, als
sie dreizehn war.
    Ihr letzter Gedanke galt David und dem sonderbaren Umstand,
daß sie ihn nicht auch schreien hörte.

Cavanaugh
hatte gehofft, Botts würde sich augenblicklich ergeben. Der
Gedanke schien gar nicht so weit hergeholt: Dieser Mann war kein
Berufsverbrecher; nichts in seinem Täterprofil wies darauf hin,
daß er sich bewußt ins Licht der Öffentlichkeit
drängte; und er war zwar ein Mörder, aber kein Profikiller.
Also bestanden drei Möglichkeiten: Botts gab auf, sobald er
keinen Ausweg mehr sah, oder er hatte Zeit zum Nachdenken gehabt und
sich überlegt, wie die Strafe für einen Mord in Tateinheit
mit weiteren Verbrechen wohl aussehen würde, und benutzte seine
Geiseln für Verhandlungen – oder, da es sich bei ihm im
Grunde um einen Amateur handelte – er geriet in Panik und fing
an zu schießen.
    Bei Möglichkeit eins würden sie alsbald herausfinden, ob
Botts auch Judy Kozinski in seiner Gewalt hatte oder nur Frau und
Kinder.
    Bei Möglichkeit zwei wäre die Forderung an ihn, sich zu
ergeben, die Voraussetzung für weitere Verhandlungen.
    Doch bei Möglichkeit drei würde Botts wütend sein,
und das war nie gut. Jede Geiselnahme ist ein potentieller Mord im
Werden, lernte man bei der Ausbildung im Fachgebiet
Geiselbefreiung. Andererseits gab Botts dem Geiselbefreiungsteam
wertvolle Informationen über seine Bewaffnung, falls er anfing
zu feuern; außerdem mußte ihm früher oder
später die Munition ausgehen.
    Durch das Fenster wurden Schüsse aus einer Faustfeuerwaffe
auf die beiden Einsatzfahrzeuge abgegeben. Cavanaugh und der
Voraustrupp standen an einer Seite der Hütte, außerhalb
von Botts’ Schußwinkel. Zwei Polizisten in
schußsicheren Anzügen preßten sich flach gegen die
Westwand, wo sie von drinnen nicht gesehen werden konnten. Alle sahen
zu, wie die Projektile

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