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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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hatte.
    Und im Januar würde im Hotel St. Moritz in New York ein
großer Biotech-Kongreß stattfinden. Dort würden alle
anwesend sein, sogar die Wissenschaftler von der Westküste. Mit
einem Presseausweis konnte Judy sich auch dort Eintritt
verschaffen.
    Im Salon fing jemand an, Klavier zu spielen. Du lieber Gott, nur
kein Gemeinschaftssingen! »Freue dich, o Erdenrund!«, das
auch noch. Resolut schloß sie die Finger um ihren Drink und
ging daran, die obligatorische Stunde hinzubiegen.

»Achtung
auf das Kabel dort«, sagte das blonde Mädchen zu Wendell,
ohne zu lächeln. Das Kabel war eigentlich ein dickes Bündel
von dünnen Kabeln, die man zusammengebunden hatte; es
schlängelte sich quer über den schmalen Gang. Das
Mädchen war wohl so etwas wie ein Groupie für eine
Rockband, obwohl ›ALBANY TODAY‹ alles andere als eine
Rockshow war. Außerdem hatte das Mädchen hochnäsig
geklungen, als es ihn auf das Kabel aufmerksam machte. Wendell
würdigte sie keiner Antwort. Sie war bloß irgend so
’ne Schlampe. Und er würde in zehn Minuten im
Fernsehen auftreten.
    »Nervös?« fragte Jake Peterson, der Reporter, der
Zeitungsartikel über Wendell schrieb. Erst ein kurzer Artikel
war erschienen; für den großen, sagte Peterson, war die
Zeit noch nicht reif. Wendell zuckte die Achseln. Seine
Handflächen fühlten sich glitschig an.
    »Denken Sie immer daran«, erinnerte ihn Peterson,
»Sie haben der Öffentlichkeit etwas Wichtiges zu
sagen.«
    Wendell antwortete nicht; das alles wußte er schon. Peterson
beobachtete ihn unentwegt und lächelte leicht dazu, was Wendell
auf die Palme brachte. Na gut, so hatte Peterson ihm also Nachhilfe
gegeben, aber das hier war immer noch seine, Wendells, Vorstellung!
Und sie fand in einem richtigen Fernsehstudio statt, mit Kabeln auf
dem Boden und so. Nicht in einem schäbigen Loch wie die
›Rick-Abrams-Stunde‹.
    »Im Studio sind sie soweit«, sagte die Hochnäsige.
»Sie können reingehen.« Sie bewegte ihren fetten
Arsch. Wendell hatte eine kurze, intensive Vision von Saralinda,
schlank und graziös.
    Das Studio war ein großer Raum mit schwarzen Wänden und
schwarzer Decke, zwei Kameras auf fahrbaren Gestellen und einem
unecht aussehenden Wohnzimmer auf einem niedrigen Podium. Die
Gastgeberin der Talkshow saß bereits an ihrem Platz. Sie war
sicher über vierzig, aber immer noch ein Hammer, fand Wendell;
sie hatte die einsame Klasse der Schaufensterpuppen in den teuren
Modehäusern. Wendell bedachte den Techniker, der sein Mikrophon
festmachte, mit einem finsteren Blick.
    Und dann konnte er einfach nicht aufhören, finster
dreinzuschauen. »Bleiben Sie ganz ruhig«, sagte die
Showmasterin. Warum das, zum Geier? Peterson sagte doch, das
wäre eine wichtige Mitteilung an die Zuseher, oder? Man blieb
nicht ganz ruhig, wenn man etwas Wichtiges mitzuteilen hatte!
    Herrgott, er brauchte einen Drink.
    »Mister Botts? Haben Sie mich verstanden? Ich sagte, in
dreißig Sekunden gehen wir auf Sendung!«
    »Ja, in Ordnung.«
    Das rote Licht ging an.
    »Guten Abend, liebe Zuseher. Rebecca Johnson
begrüßt Sie bei ›Albany Today‹, dem aktuellsten
Nachrichtenmagazin der Stadt. Etwas später werden wir auch
Senator William Kerber willkommen heißen, der uns mit den neuen
Waffengesetzen des Staates New York vertraut machen wird, und Vivian
Jones, Autorin des Bestsellers Die Brötchen-Diät. Doch unser erster Gast ist Mister Wendell Botts, der uns eine
schockierende Geschichte mitgebracht hat. Wendell, Sie waren
früher Mitglied der Streiter des göttlichen Bundes, einer
religiösen Gruppierung, die ihr Quartier bei Cadillac im Bezirk
Marion hat.«
    »Ja, das ist richtig.« Seine Kehle fühlte sich
staubtrocken an.
    »Und Sie haben selbst in diesem Sektenquartier
gelebt?«
    »Die dort nennen es Siedlung.«
    »Siedlung, ah ja. Und wann war das?«
    »Vor zwei Jahren bin ich weggezogen von dort.«
    Weggezogen ins Gefängnis, kurz nach Davids Geburt und nachdem
der Alkohol ihn soweit getrieben hatte, daß er auf Saralinda
und Penny losgegangen war. Aber Peterson hatte ihm versichert,
daß die Showmasterin das nicht zur Sprache bringen würde.
Wendell konnte Peterson jetzt sehen, er stand direkt hinter den
Kameras, die Hände in den Taschen vergraben, die Augen
überall.
    »Und Sie sind zu uns gekommen, um uns – was zu
berichten?«
    Das Lächeln dieser Frau wirkte ermutigend auf ihn; sie war
nicht so wie dieses Arschloch beim Radio. Wendell sagte: »Ich
bin hier, um Ihnen zu berichten, daß

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