Verico Target
in dieser Siedlung Dinge
vorgehen, die nirgendwo vorgehen dürften.«
»Was für Dinge, Wendell?«
»Tieropferungen.«
»Sie meinen, daß aus religiösen Gründen Tiere
auf einem Altar geschlachtet werden? Vor der Gemeinde der
Gläubigen?«
»Ja.« Er sah das kleine Amphitheater vor sich, das aus
einem natürlichen Hang herausgehauen worden war. Die Opferungen
fanden immer nur bei Nacht statt, unter dem harten Licht der
Sterne.
»Was für Tiere wurden da geopfert?«
»Murmeltiere. Kaninchen. Vögel.« Er erinnerte sich
an die Anrufer bei der Radiosendung. »Und manchmal auch
streunende Katzen. Die von irgendwo aufgetaucht waren.«
Rebecca Johnson machte ein ernstes Gesicht. »Und Sie sahen
diese Opferungen mit Ihren eigenen Augen, Wendell, als Sie noch auf
diesem Anwesen lebten?«
»Jawohl.« Die Kamera bewegte sich unaufhörlich, und
das rote Licht, auf das er schauen sollte, bewegte sich mit ihr
– aber trotz seiner Nervosität dachte er an alles, was
Peterson ihm eingetrichtert hatte. »Ich hörte die Tiere
quietschen und schreien, wenn ihnen die Ältesten die Kehlen
aufschlitzten. Das ist ein grauenhaftes Geräusch, das man nicht
so schnell los wird.«
»Leben auch Kinder in der Siedlung, Wendell?«
»Klar! Zwei davon gehören mir, und ich möchte sie
dort rausbringen.«
Peterson gestikulierte heftig. Wendell griff nach seiner
Brieftasche. »Sehen Sie? Das sind ihre Fotos. Penny ist fast
fünf, und David ist zwei.«
Die Gastgeberin hielt die beiden Fotos in die Kamera. Pennys Haar
war zu zwei hochsitzenden Zöpfchen gebunden; David grinste.
»Ganz entzückende Kinder. Kein Wunder, wenn Sie sich Sorgen
machen um die beiden. Jeder Vater würde das tun, angesichts
solcher Grausamkeiten. Was haben Sie schon versucht, um die beiden
dort herauszuholen?«
»Mein Anwalt arbeitet daran, und wir tun alles, was man auf
legalem Weg tun kann. Aber die Tieropfer sind nicht der einzige
Grund, warum ich meine Kinder dort weghaben will.«
»Sprechen Sie weiter«, sagte Rebecca Johnson mit
teilnahmsvoller, interessierter Miene, als wüßte sie
nicht, was Wendell als nächstes sagen würde. Aber
klarerweise wußte sie es. Er hatte ihren Leuten schon alles
erzählt, und die hatten es ihr erzählt. Auf dem Sofa
rückte Wendell ein wenig ab von ihr; keiner von diesen Leuten
hier war wirklich ehrlich, daran mußte er immer denken! Sie
interessierten sich nur für ihn, weil es zu ihrem eigenen Nutzen
war.
Er machte eine kleine Pause, bevor er sprach, genau wie Peterson
es ihm beigebracht hatte. »Ich glaube, bei den Streitern des
göttlichen Bundes in Cadillac werden auch Menschen
geopfert.«
Die Gastgeberin riß die Augen auf. »Das ist eine sehr
schwerwiegende Anschuldigung, Wendell. Haben Sie denn dafür
irgendwelche Beweise?«
»Drei Dinge. Erst mal gab es von April bis jetzt dreizehn
offizielle Todesfälle in der Siedlung – bei…
äh… vielleicht fünfhundert Bewohnern. Das kann jeder
unter den Todesanzeigen des Cadillac Register nachprüfen.
Das ist eine Todesrate von über zweieinhalb Prozent in acht
Monaten oder fast vier Prozent im Jahr. Wenn die Einwohner von Albany
in demselben Tempo sterben würden, wäre die Stadt in
dreißig Jahren menschenleer.« Die Zahlen hatte er von
Peterson. »Das ist keine natürliche Todesrate. Und
angeblich sind alles natürliche Todesfälle – da wird
also gar nicht berücksichtigt, daß in einer normalen
Todesrate auch Unfälle oder Verbrechen enthalten sind. Diese
Todesfälle waren angeblich alle auf natürliche Ursachen
zurückzuführen. Jeder einzelne davon.«
»Und bei wie vielen Toten wurde eine Autopsie
vorgenommen?«
»Bei sechs. Die Ärzte sagten, es waren alles
Herzinfarkte.« Wiederum Peterson. Reporter hatten ihre Mittel
und Wege, solche Sachen herauszufinden.
»Aber wenn es sich um Menschenopfer handelte, mit
durchschnittenen Kehlen, wie Sie sagten…«
»Das ist ja nicht die einzige Möglichkeit, einen
Menschen zu opfern«, entgegnete Wendell. »Kann man denn
feststellen, wie sorgfältig diese Autopsien durchgeführt
wurden? Man kann zum Beispiel Strom in Wasser leiten und jemand damit
töten, ohne daß man äußerlich etwas davon
erkennen würde. Und wenn die Behörden keinen Grund hatten
für irgendeinen Verdacht, damals, als die Obduktionen gemacht
wurden… Und da reden wir noch gar nicht von den Leichen, die
vielleicht in den Höhlen unter Cadillac liegen; wer weiß,
wie die ums Leben kamen.«
»Aber Sie haben keine Beweise dafür. Und auch wenn
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