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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Kamera. »Und nun, liebe
Zuseher, konnten Sie diese schwerwiegenden Anschuldigungen aus der
Sicht beider Seiten hören -Anschuldigungen, bei denen es um
Tier- und sogar Menschenopfer bei einer religiösen Gruppierung
in Cadillac geht, um die Exhumierung zweier Leichen zum Zweck einer
neuerlichen Autopsie, um Kinder in großer Gefahr, um
Todesstatistiken und um Proteste des amtsärztlichen
Leichenbeschauers. Was meinen Sie, sollte als nächstes in
dieser Sache getan werden? ›Albany heute‹ präsentiert
Ihnen wie immer alles Aktuelle aus der Stadt, die wir lieben! Und nun
berichtet uns Vivian Jones, wie Sie mit Hilfe kalorienarmer Rezepte
auf der Grundlage von Brötchen Ihr Körpergewicht reduzieren
können. Vivian Jones – nach der Werbung!«
    Die roten Lichter gingen aus. Der junge Mann, der das Telefon
gebracht hatte, und ein älterer Mann von der Aufnahmeleitung
rannten zu Rebecca Johnson. Peterson stapfte zielstrebig zu diesen
dreien hinüber. Ein Techniker kam auf die Bühne, um Wendell
das Mikrophon abzunehmen, und schrie über die Schulter dem
Kameramann etwas zu. Das weiße Telefon, das immer noch auf dem
Tischchen stand, begann zu klingeln.
    »Und was ist mit meinen Kindern?« fragte Wendell, aber
der Techniker winkte ihn von der Bühne und wies eine Frau auf
seinen Platz, die ein Buch mit einem Brötchen auf dem Umschlag
in der Hand trug.
    Keiner schien Wendells Frage auch nur gehört zu haben.

 
     

     
     
    Die Benutzung von Informanten ist häufig von
begrenztem Wert.
    - Expertenteam für die Bekämpfung von
organisiertem Verbrechen. 1976
     
    Informanten sind der Schlüssel zu allen
Recherchen… Sie sind das A und O jeder Ermittlung, ganz
besonders gegen das organisierte Verbrechen.
    - WILLIAM KOSSLER in einer Ausschußsitzung
des Senates über organisiertes Verbrechen, 1989

Jeanne
Cassidy stand vor dem Spiegel im Einzelzimmer ihres Studentenheims
und betrachtete sich darin. Der Spiegel hatte blinde Flecken und war
mit etwas beschmiert, was aussah wie eingetrocknetes Bier oder Cola.
Außerdem war er zu klein, um sich ganz darin zu sehen, aber was
Jeanne darin sah, reichte ihr vollauf.
    Es ließ sie erschauern.
    Dieser verdammte Jeff! Warum wollte er unbedingt zu so einer
piekfeinen Sache wie einem ›Winterball‹ gehen? Wozu denn?
Der Gemeinschaftssaal, dekoriert mit Schneeflocken aus weißem
Papier, eine tropfende weiße Kerze auf jedem Tisch, eine
Rockband, die ihre Proben vermutlich in irgendeiner Garage abhielt.
Durch und durch Mittelschule. Und sie, Jeanne, mit ihrem bodenlangen,
engen schwarzen Kleid und dem Lancome-Lippenstift ›Paris
Red‹ und dem grauen Lidschatten und den langen goldenen
Ohrringen aufgemacht, als wäre es tatsächlich eine
glanzvolle Angelegenheit… Es war das erste Mal seit Las Vegas,
daß sie sich so zurechtgemacht hatte. Das erste Mal, daß
sie überhaupt Make-up trug, seit der Nacht, als Sue
Ann…
    Jeanne legte die Hände auf das Glas, als könnte sie nur
mit den Handflächen und den gespreizten Fingern ihr Spiegelbild
abblocken. Als könnte sie Susies Spiegelbild abblocken, das in
dem gelben Pullover neben ihr stand, mit Ohrgehängen bis zur
Schulter und tränenverschmierter Wimperntusche.
    Nichts konnte Susies Bild auslöschen. Nichts. Niemals. Jeanne
sah es in jedem Spiegel, an dem sie vorbeikam, in jedem dunklen
Fenster, in jedem glänzenden Löffel. Sie sah es sogar in
ihren Träumen.
    Das Telefon klingelte.
    »Jeanne? Bist du fertig, Baby?«
    »Ja. Nein. Gib mir noch fünf Minuten, Jeff.«
    »Kriegst du.«
    Jeanne betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Das kurze Haar
– wieder in seiner naturroten Farbe – war zu einem Kranz um
ihr Gesicht gebürstet; das Make-up ließ die Augen doppelt
so groß wirken; das schwarze Futteralkleid klebte an ihrer
Figur. So hatte Jeff sie noch nie gesehen: herausgeputzt.
Aufgedonnert. Sie sah genauso aus, wie sie nie wieder hatte aussehen
wollen.
    Susies Bild starrte ihr aus den Tiefen des Spiegels entgegen,
weiß bis an die Lippen. »Carlo ist tot. Und nun bin ich
auch tot.«
    Jeanne verschränkte die Finger ineinander – fest. Sie
schloß die Augen und verjagte Susies Bild. Draußen auf
dem Flur vor ihrem Zimmer klapperten Schritte vorbei und
näherten sich dem Fahrstuhl; Studenten schnatterten und
lachten.
    »Hör mal, Sue Ann, mir fällt gerade ein,
daß ich Tampax im Handschuhfach habe…«
    »Nein! Laß mich nicht allein!«
    Aber Jeanne hatte sie alleingelassen. Sie hatte Susie allein
gelassen. Wenn sie nur

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