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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Art, halb unbewußt,
bedeckte ich das Blatt Papier mit Zeichnungen. Maschinengewehre,
Flugzeuge, Haubitzen. Wahrscheinlich, daß
der Kriegslärm ringsumher meinem Stifte jene Zeichnungen
diktierte.
    Plötzlich wurde mir das Büchlein unter meinen Augen weggerissen.
    Ich blickte auf. Ein Reiter hielt vor mir, in seiner Hand
schwang er das Buch.
    Ich fuhr auf, um es dem kecken Störer zu entreißen. Der
griff nach seinem Reitstock und ich nach einem Stein.
    Da erblickte er die Jahreszahl auf dem Kalender, blickte
mir ins Auge. Auf seiner höhnisch-wilden Miene malte sich
sekundenlang Betroffenheit. Er ließ die Gerte sinken, legte
fast höflich das Büchlein vor mich hin und fragte: »Was rechnet
Ihr da hier?«
    Von sonderbarem Wohllaut, biegsam und doch hart war
diese Stimme. Wie eine Damaszener Klinge. Man hörte es ihr
an, daß sie gewohnt war zu befehlen.
    Und ich — ich weiß nicht, hatte ich, aus meinem Sinnen
aufgescheucht, nicht Zeit gefunden, mich zu fassen — wie ein
aufgeschreckter Schläfer ein tiefbehütetes Geheimnis preisgibt
— oder verlangte die neuerrechnete Entdeckung nach
Mitteilung, oder war’s wirklich die Herrscherkraft dieser verführerisch-machtvollen
Stimme — ich, dem noch nie ein
Mensch seine Entschließung aufgenötigt hatte, ich gehorchte.
Ich erzählte diesem fremden Reitersmann, daß ich
um hunderttausend Tage zurückverschlagen worden in den
Zeiten, ich erzählte ihm mein Wunder.
    Kaum war’s gesagt, biß ich mich auf die Lippen voll Unmut.
Was hatte ich denn wie ein Schulbub zu gehorchen, was
ging denn diesen Fremden mein eigenstes Erlebnis an, und
mußte ich nicht ungläubigen Spott erwarten oder gar Verfolgung
und Verdacht?
    Aber nicht Ungläubigkeit oder Hohn las ich in den Zügen
meines Partners, ekstatisches Verstehen entflammte seinem
düstern Blick. Wieder nur eine flüchtige Sekunde, und wiederum
lag steinerne Beherrschung auf seinem Angesicht, das
Unrast und profunde Unzufriedenheit durchwühlte.
    In weitem scharlachrotem Mantel, auf dem Reiterhute eine
rote Hahnenfeder, wie ein Fürst der Finsternis hielt er vor
mir, das fahle Antlitz überstrahlt von feurig-dunkeln Augen,
und zügelte den Rappen, der ungeduldig schnaubend weiter
wollte.
    »Und solch ein Geheimnis verratet Ihr dem ersten besten?«
    Unwillkürlich entschlüpfte mir die Gegenfrage: »Seid Ihr
der erste beste?«
    Dann fragte er nach dem und jenem aus meiner Zeit und
wußte seine Fragen überraschend scharfsinnig zu stellen.
    Und hörte ernsthaft zu, den einen Arm auf den Fels gestützt,
indes er mit dem Reitstock Kreise auf den Boden
zeichnete. Gleichmütig, unbewegt, nicht anders, als empfange
er einen Gesandten, der ihm von den Indiern Neuspaniens berichtete.
    Dann deutete er auf die Flugzeuge und Feldgeschütze, die
ich auf das Blatt gezeichnet hatte, fragte, was das sei, und ließ
es sich erklären.
    »Und sagt, Ihr könnt derlei verfertigen?« Mühsam verhaltne
Spannung lag in dieser Frage.
    »Gebt mir zweitausend Mann und gebt mir Geld, und in
fünf Monaten baue ich Euch fünf Feldgeschütze und fünf
Flugzeuge, mit denen Ihr in fünf Minuten ein ganzes Heer
zerschmettern könnt.«
    »Und das ist Euch ernst, bei Euerm Kopf?«
    Staubwolken wurden am Horizonte sichtbar, und von
ferne, wie um die Drohung dieser Frage zu verstärken, tönte
dumpfes Rollen.
    »Glaubt Ihr, ich habe Lust zu scherzen?«
    »Ich schlage ein, hier habt Ihr meine Hand. Und ich
schwör’s Euch bei den Sternen, ich will Euch zu dem Mächtigsten
auf dieser Erde machen. Wir wollen uns dann teilen in
der Herrschaft über alle Welt.«
    Wie in einem Flammenmeere unbändiger Herrschsucht
leuchtete sein Antlitz, er streifte die Stulphandschuhe ab und
reichte mir die knochig-kühle Rechte.
    Ich bat: »Gönnt mir nur wenig Tage Überlegung.«
    Inzwischen war ein kleiner Reitertrupp herangekommen,
mit Trompetern und Standarte.
    Der Fremde wendete sich hin; da ertönten Kommandorufe,
die Reiter blieben stehen wie angewurzelt. In wohlgemeßnem
Gleichtakt weit ausholend, lüfteten sie grüßend ihreHüte, die Degen fuhren präsentierend aus der Scheide, und
die Standarte senkte sich.
    Er dankte lässig mit zerstreutem Gruß und wendete sich
hastig wiederum zu mir. »Was gibt es da noch viel zu deliberieren
und zu temporisieren?«
    Mit ungestümen Worten drang er auf mich ein, sogleich
mit ihm zu kommen. Da ich solch weittragenden Entschluß
nicht überstürzen wollte, begegnete ich seinen Bitten, seinem
halb drohenden und halb

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