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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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das
Dunkel einer Altarnische und wob um eine betend Hingesunkne
eine goldne Gloriole. Sie hob das Haupt und blickte in
den Lichtschein, geblendet, wie verzückt.
    Nun konnte ich sie sehen. Das Blut schoß mir zu Herzen.
Es war Agathe.
    Ich stürzte auf sie zu, lachend, weinend, sprachlos, jubelnd.
Und in den triumphierenden Gesang der Orgel ertönte die
Verheißung des Gedichtes:
    So tief, meertief also
    Verstecktest dich vor mir,
    Und konntest nicht mehr herauf,
    Und saßest fremd unter fremden Leuten,
    Jahrhundertelang,
    Derweilen ich, die Seele voll Gram,
    Auf der ganzen Erde dich suchte,
    Und immer dich suchte,
    Du Immergeliebte,
    Du Längstverlorene,
    Du Endlichgefundene.
    Und sie stand da, die Arme auf dem Pfeiler rückwärts aufgestützt,
wortlos, ergriffen, verwirrt-holdselig lächelnd. Und
aus ihren Augen blickte — wie soll ich nur beschreiben, was
aus ihren Blicken strahlte: süßer Schrecken, traumhaftes Erinnern,
Erkennen, Liebe auf den ersten Blick.
    Was ich zu ihr sprach, was sie erwiderte, weiß ich ja gar
nicht mehr. Ich weiß nur, daß ich sie gefunden habe, daß ich
sie wiedersehen werde, immer wieder sehen.
Siebenunddreißigstes Kapitel
    W ie im Taumel ging ich heimwärts. Wenn aus unsern Augen
ein großes inneres Glück erstrahlt, so leuchtet uns ein Widerschein
der eignen Freude auch aus den Blicken der Begegnenden.
    Aber so war es diesmal nicht. Wohl erkannten sie mich, das
sah ich deutlich. Aber nicht Wohlwollen las ich in ihren Blicken,
nicht einmal Neugier. Nein, dumpfe Fremdheit, feindseliges
Mißtrauen. Und was sie hinter mir zu tuscheln hatten,
war alles, nur nicht freundlich. Von Feuerzeichen hörte ich
etwas, die nachts aus meinem Hause flammten und daß es da
nicht ganz mit rechten Dingen zugehn könne.
    Mochten sie schwatzen, die unwissenden Narren. Was
kümmerte es mich?
    Als ich wieder vor den Toren war, allein in der lächelnd ruhevollen
Landschaft, da durchströmte mich heißes Glücksgefühl
und froher Dank, und eine innre Stimme sprach zu mir:
»Nun hast du, was du suchtest, nun kannst du dich bescheiden.
Genieße still dein Glück, lebe friedlich an der Seite deiner
Liebsten, laß dich nicht ein ins Tun der Menschen, versuche
nicht, dem Schicksal vorzugreifen, und erwidre nicht die
Gnade, die dir widerfahren, mit vermeßnem Trotze.«
    Wie ein mildes Licht des Friedens nach einem langen Weg
voll Kampf und Irrung leuchtete es auf. Ergriffen stand ich
still und sann und grübelte und kämpfte mit mir selbst. Und
endlich, befreiend und ermattend, entrang sich meinem wild
bewegten Herzen der Entschluß.
    »Ja, ich will verzichten. Dankbar will ich sein und fromm
und gläubig. Vergessen will ich mein vormaliges Leben, allmein Wissen, meine Pläne. Hier will ich leben als ein Bürger
dieses Landes, als ein Kind dieser Zeit, ein Gleicher unter
Gleichen, den Menschen helfen und demütig mein Tagewerk
verrichten bis an mein gottgewolltes Ende. Bescheiden will ich
sein, will mich bescheiden.«
    Halb heiter, halb entsagend umfaßte ich die Landschaft
rings umher mit meinen Blicken, begrüßend, Abschied nehmend,
und sprach zur mütterlichen Erde: »Nicht als gewaltiger
Eroberer, als friedlicher Bebauer, dienend, nicht herrschend,
will ich dich fortan betreten.«
    Ich mußte mich des Traums erinnern, da Konradin und
Agathe mir erschienen und von den Zinnen Ansbachs winkten,
beschwörend, Abschied nehmend. Nun war die Deutung
klar: Beschwörend winkten sie mir zu, ich möge mich bekehren;
Abschied nehmend, ich möge Abschied nehmen von meinem
früheren Wissen, meinen ehrgeizigen Plänen, sonst
müßte ich von ihnen, den beiden Teuern, Abschied nehmen.
    Aber, Gottlob, nun bin ich ja vereint mit beiden.
    Wie wird Konradin sich freuen, wenn ich ihm von meiner
Einkehr, meinem demütigen Verzicht erzählen werde. Bis ins
kleinste malte ich mir aus, wie er zuhören würde, er, der wie
kein andrer zuzuhören weiß; wie er mich ansehn würde mit
seinen wunderbaren Augen, jenen Augen, aus denen alles
Schöne, alles Edle dieser Welt erstrahlt. O du mein teurer
Freund, Zierde der Menschheit, Unvergleichlicher!
    Ungeduldig blickte ich empor, ob ich nicht bald daheim
sei.
    Aber was sah ich da? Dicker, schwarzer Qualm stieg aus
dem Schornstein, drang aus den Fenstern, und aus dem Dachstuhl
schlugen Flammen.
    Rasende Angst erfaßte mich. Nicht um meine Habe, um
Konradin. Und ich jagte den Hügel hinan . . . Nun schon zum
zweiten Male heute.
    Hatte Konradin nicht recht mit seiner Ahnung? Umkehr
bedeutet

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