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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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verheißungsvollem Drängen mit
dem beharrlichen Ersuchen um eine kurze Überlegungsfrist.
    Die Ader schwoll ihm an der Stirn, und zornige Ungeduld
rötete sein bleiches Antlitz, jählings wandte er sich ab, zu seinem
reglos harrenden Gefolge, und wollte es, mit halb erhobenem
Arme auf mich weisend, herbeibefehlen.
    Dann maß er mich noch einmal mit einem vollen, prüfend-nachdenklichen
Blicke. Und er besann sich, er hielt inne. Er
mochte einsehn, daß es klüger sei, zu bitten und zu bieten als
zu gebieten.
    Er lenkte ein: »Gut denn, überlegt es. Nehmt hier den
Ring, er wird Euch jederzeit Zutritt zu mir verschaffen.«
    Und leise, als wäre es ein Geheimnis, das uns zwei verbinde:
»Merkt Euch’s, auch in unsern Tagen ist gut leben —
so man die Macht hat . . .« Und warf mir einen Ring hin mit
einem prachtvollen Smaragd.
    »Wie finde ich Euch denn?« fragte ich mit unsicherer
Stimme.
    »Fragt nach dem Oberst-Feldhauptmanne der Armada römisch-kaiserlicher
Majestät. Ich heiße Albrecht Waldstein, zu
Friedland Herzog und zu Mecklenburg.«
    Schon halb abgewendet, beugte er sich wiederum zurück,
ganz nah zu mir: »Habt Ihr denn in Euern Zeiten gar nichts
von mir vernommen?«
    Und lächelte mir zu, fast schalkhaft und voll Hoheit, und
gab dem Roß die Sporen und ritt davon in mächtig weiten
Sätzen. Ein kurzes Frösteln faßte mich.
    Und nun stampfte, trabte, rollte es heran.
    Der ganze Heerzug wälzte sich heran.
    Bagagewagen, Spießknechte, Schützen, Musketiere und
Lanzenreiter, Kürissierer, Harquebusiere, dann wieder Feldschlangen,
Falkonen und Kartaunen.
    In endlosen Kolonnen marschierten sie daher, scherzend
und fluchend und plaudernd und singend:
    Gewissen hin, Gewissen her,
    Ich acht’ vielmehr zeitliche Ehr’
    Dien’ nicht um Glauben, dien’ um Geld,
    Wie’s mir auch geh’ in jener Welt.
    Und die Troßweiber fielen johlend ein.
    Dem Kaiser wöll’ wir eine Schanze bau’n
    Und werden dem Schweden sein’ Paß verhaun.
    Und wie ich das verschollne Kriegsgerät betrachtete und die
Gesichter ansah, die in Staub und Dunst vorüberzogen, die
wilden und die frommen, die gierigen und stumpfen, da
mußte ich mich der Erzählung des Herodot erinnern von
Xerxes, als er bei Abydos Heerschau hielt.
    Beim Anblick seiner ungeheuern Heeresmacht, der größten,
die man je beisammen sah, vergoß der Perserkönig bittre
Tränen. Als ihn sein Oheim Artabanos ehrerbietig fragte,
warum er weine, statt sich seiner Macht zu freuen, rief der König:
»O Artabanos, was wird von diesem stolzen Heere in
hundert Jahren übrig sein?« Worauf sein greiser Ohm erwiderte:
»Ach, und so kurz des Menschen Leben sei, hier unter
all den Myriaden ist sicherlich kein einziger, der nicht schon
oft sehnlich verlangte, von diesem mühbeladnen Leben durch
den Tod erlöst zu werden.«
    So sah ich sie vorüberziehen, mit Mann und Roß und Wagen,
des Wallensteiners mächtige Armada, der Stolz und
Schrecken ihrer Zeit — ein Schattenbild, ein Traum, in Staub
und Dunst ein Haufen längst vermoderter Gespenster.
Neununddreißigstes Kapitel
    D as war ein Fingerzeig des Schicksals. Als ich schwach gewesen,
mußte ich den Freund verlieren. Nun, da ich mich meiner
Sendung wiederum besann, nun bot sich mir ein Bündnis mit
dem größten Manne dieser Zeit. Gab’s da noch ein Zögern?
    Ehrgeiz, Trotz und Hoffnung entzündeten aufs neue
meine Tatkraft, und die Freude am Besitz Agathes erweckte
neuen Lebensmut.
    Wenn ich mit ihr dahinging auf den heimlichen Wegen der
Liebe, dann war es mir, als sei es wiederum wie einst, in fernen,
fernen Zeiten, da wir uns vordem angehörten, als sei ich
wiederum der Jüngling, dessen Füßen alle Pfade, dessen Herzen
alle Träume offenstehn. Wenn wir zusammen auf die
Stadt herniederblickten, wie sie mit ihren breiten, schweren
Türmen, ihren spitzen Dächern aus Gärten und Gebüschen
kraftvoll-ruhig aufstieg, wenn ich, an sie geschmiegt, in engen,
winkeligen Gäßchen emporsah zu den gelben und den
roten Topfblumen in den Fenstern, empor zum traulichen Gewirr
der Giebel, da schien es mir, als ob mir an den alten Orten
wiederum die alte Zeit begegnete. Oft wieder wähnte ich,
als sei all dies nur flüchtiges Verweilen, nur eine köstlich
kurze Wanderung, von der wir bald heimfinden werden.
    Agathe nenn’ ich sie, ja, war sie denn Agathe? Wenn sie
Agathe war, wie war sie hergekommen? War auch sie rückversetzt?
Wie denn? Rückversetzt, nachdem sie doch zu meiner
Zeit verstorben war? Oder begegnete ich ihr in

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