Veritas
erst am 7. April, mit mehr als einer Woche Verspätung, an seinem Ziel angelangt. An diesem Tag war die Spannung bis aufs äußerste gestiegen: Sogar Kaiser Joseph I. hatte es für politisch ratsam gehalten, den Türken ein indirektes Zeichen seines Wohlwollens zu geben, und so hatte er der Kirche der Barfüßigen Karmeliter, die sich auf der Insel St. Leopold in der Donau befand, just jenem Viertel, wo die Türken beherbergt werden sollten, mit seiner Familie einen Besuch abgestattet. Wie groß war jedoch die allgemeine Überraschung, als der Aga, begleitet von flatternden Fahnen, Pauken und klingenden Flöten, auf der Insel landete und man gewahr wurde, dass er nicht mehr als zwanzig Personen in seinem Gefolge hatte! Wie ich später lesen konnte, hatte er außer dem Dolmetscher nur seine engsten Diener bei sich: den Hofmarschall, den Schatzmeister, den Sekretär, den Ersten Kammerdiener, den Stallmeister, den Küchenmeister, den Kaffeemeister und den Imam, über den das Fliegende Blatt mit Verwunderung anmerkte, dass er kein Türke, sondern ein indischer Derwisch sei. Niedere Diener, Köche, Reitknechte und andere mehr waren während der Reise unter den Osmanen in Belgrad angeworben worden, wie auch zwei Janitscharen, die sich jeweils als Fahnen- und Munitionsträger des Agas betätigen mussten. Ebendiese Verringerung des Gefolges hatte dem Aga erlaubt, Wien nach einer nur zweimonatigen Reise zu erreichen, tatsächlich war er am 7. Februar in Konstantinopel aufgebrochen.
Am heutigen Morgen sollte die Gesandtschaft – indem sie die Stadt über die Schlagbrücke betrat, um dann unter dem Rothen Turm, an einem Platz, der Lugeck heißt, und am Stephansdom vorbeizukommen – ihren Einzug in das Palais Seiner Durchlaucht des Prinzen halten, der zu diesem Behufe eine sechsspännige Kutsche sowie vier gesattelte und mit Gold und Silber aufgezäumte Pferde für das Geleit des Ambassadeurs vorausgeschickt hatte.
Ich stürzte in größter Eile nach draußen, gerade noch rechtzeitig. Unter den neugierigen Blicken der Menge war der Geleitzug bereits aus der Kärntnerstraße in unsere Gasse eingebogen, angeführt zu Pferde vom Oberstleutnant der Garden, dem Offizier Herlitzka, gefolgt von zwanzig Soldaten der Stadtguardia, die während des gesamten Aufenthalts für die Sicherheit der Gesandtschaft verantwortlich waren. Wegen der gewaltigen Staubwolke, die der Konvoi aufwirbelte, dem großen Zustrom gaffender Volksmassen und dem Ungestüm der sich nähernden Pferde musste ich stehen bleiben und mich an die Mauer des Eckhauses zwischen Himmelpfortgasse und Kärntnerstraße drücken. Zuerst zog die Kutsche des Kaiserlichen Spesierungs-Commissars vorbei, der die türkische Ambassade an der Grenze mit dem Zeremoniell des sogenannten Wachwechsels empfangen und bis in die Hauptstadt geleitet hatte. Dann folgte – unter allseitigem Staunen – ein wunderlicher Reiter in fortgeschrittenem, gleichwohl nicht bestimmbarem Alter, der, wie ich von Stimmen in der Menge hörte, jener indische Derwisch war. Darauf drei Chiaus oder auch türkische Gerichtsvollzieher, von denen einer auf der rechten Seite ritt und sein Pferd von zwei Dienern zu Fuß führen ließ. Dieser Chiau schwenkte beidhändig das Akkreditierungsschreiben des Großwesirs. Es war von grünem, mit silbernen Blumen besticktem Taffet gänzlich eingehüllt und auf zinnoberroten Atlas gebettet, der das Siegel des Großwesirs in rotem Lack und mit reingoldener Siegelkapsel trug. Zu seiner Linken ritt der Dolmetscher der Hohen Pforte.
Schließlich erblickten wir die vom Prinz Eugen gesandte sechsspännige Kutsche, darin die murmelnde, neugierig wogende Menge den Türkischen Aga, eingehüllt in ein Gewand aus gelbem Atlas und einen Überwurf aus rotem, mit Zobel gefüttertem Drap, erkannte. Sein Haupt war vom großen Turban bedeckt. Ihm gegenüber saß, wie ich aus der Unterhaltung zweier Weiblein zu erhaschen meinte, der Kaiserliche Dolmetscher. Zu beiden Seiten der Kutsche eilten schnaubend und sich mit Ellenbogen Platz verschaffend zwei Lakaien des Savoyers und vier Diener des Agas, gefolgt von einem weiteren türkischen Reiter, von dem es hieß, er sei der Erste Kämmerer. Den Zug beschlossen Diener des Agas, gefolgt von den Soldaten der städtischen Guardia.
Auch ich näherte mich dem Palais des Prinzen. Wie erwartet, stieß ich, kaum vor dem Hauptportal angekommen, auf Cloridia, die lebhaft mit einem der türkischen Lakaien disputierte.
Wie ich schon bemerkte, hatte
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