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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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wurde, fiel kaum zwei Stunden später ein berühmter Adeliger mit Namen Kasim Beg. Er stammte aus der Voywoda, einem Gebiet nahe bei Ungarn, doch wie viele der dortigen Rebellen hatte er keinen besseren Weg gefunden, seinen Hass auf das Reich auszuleben, als sich zur Religion Allahs zu bekehren. Kasim hatte den Auftrag, das christliche Heer abzulenken, das den Sultan verfolgte. Süleymans Befehl lautete, alle Gegenden jenseits der Donau mit Feuer und Schwert zu verheeren, die Ortschaften zu brandschatzen und ihre Bewohner auszurotten. Der Schachzug gelang. Bei ihrem Versuch, wenigstens das Leben der Frauen und Kinder zu schützen, die von Kasims Soldaten bestialisch zerfleischt wurden, verloren die christlichen Truppen Süleyman aus den Augen. Er konnte mit dem Rest des Heeres fliehen. Kasim aber zahlte einen hohen Preis. Er und vierzigtausend Soldaten wurden von den Christlichen abgeschlachtet, die über sein entsetzliches Gemetzel außer sich vor Wut waren. Seither betrachten die Muselmanen Kasims vierzigtausend Männer als Märtyrer des Glaubens.
    «Es heißt, am Ort der Schlacht könne man jeden Freitagabend noch immer ihren Kriegsschrei hören: ‹Wehe euch! Allah! Allah!›», schloss Opalinski. «Heute kann man in jener Gegend Reste der Statuen junger Soldaten sehen, die zum Gedenken an die vierzigtausend Märtyrer aufgestellt wurden.»
    «Dann beziehen sich die letzten Worte von Danilo Danilowitsch also auf diese Geschichte», sagte ich enttäuscht.
    «So ist es», bestätigte Opalinski. «Ich fürchte, unser armer Kamerad hat im Todeskampf das wiederholt, was er kurz zuvor in Erfahrung gebracht hatte. Nichts, was geheim wäre, jedenfalls scheint es so. Doch meine Nachforschungen sind noch nicht beendet …»
    «Nein, Jan», gebot ich ihm Einhalt, «lass gut sein. Die Geschichte um den Goldenen Apfel wird allmählich zu gefährlich.»
    «Gefährlich?», wiederholte er mit skeptischer Miene.
    Also erzählte ich ihm von den beunruhigenden Geschäften des Derwischs, doch der Pole schien alles andere als beeindruckt.
    «Hier ist der Lohn für deine Mühen», sagte ich und reichte ihm ein Säckchen Geld. «Ich möchte so schnell wie möglich auch die anderen warnen. Weißt du, wo ich sie finde?»
    «Koloman hatte heute Abend Dienst als Ober, aber ich weiß nicht, in welchem Lokal», antwortete Opalinski, das Säckchen zufrieden in den Händen wiegend. «Dragomir ist fast sofort wieder gegangen.»
    «Und der Pennal?», fragte Simonis.
    «Hat sich gar nicht blicken lassen.»

    Uns blieb nichts anderes übrig, als Populescu bei der Andacht auf dem Kalvarienberg aufzuspüren, wo er eine Verabredung mit seiner Brünetten hatte. Danach würden wir Koloman Szupán suchen.
    Ich verabschiedete mich von Simonis, und wir vereinbarten, uns um neun Uhr an einem noch festzulegenden Ort wiederzutreffen. Der Grieche würde mich wissen lassen, wo: Er musste Penicek finden, damit er uns mit seiner Kalesche dorthin fuhr.
    Trotz der Aufregung der letzten Stunden hatte ich nicht aufgehört, an die jüngsten Ereignisse zu denken. Die Bilder vom Flug über Wien kehrten unablässig vor mein geistiges Auge zurück. Und noch bedrängender spukte mir Cloridias Idee im Kopf herum, die Vermögen des Fliegenden Schiffes zu nutzen. Wenn wir lernten, es zu lenken, konnten wir daraus vielleicht großen Nutzen ziehen. Wir konnten die Türken durch die Fenster ihres Logis auf der Leopoldinsel beobachten, wie meine kämpferische Gemahlin vorgeschlagen hatte; doch konnten wir auch über die Hofburg fliegen, wo der Kaiser, das Opfer einer dunklen Verschwörung, krank daniederlag, und vielleicht auch dort einen Blick durch die Fenster werfen … Nein, sagte ich mir, du lässt dich von Hirngespinsten hinreißen.
    Einige Erkundigungen einzuziehen konnte freilich nicht schaden. Ich beschloss daher, die Befehlsgewalt zu nutzen, die Simonis über den Pennal hatte, und ließ ihm eine kleine Aufgabe anvertrauen: Er sollte in aller Eile Informationen über die Geschichte der menschlichen Flugversuche sammeln.
    Den Grund dafür durften wir dem böhmischen Studenten indessen nicht enthüllen. Wenn wir erzählt hätten, was am Ort Ohne Namen geschehen war, hätte er uns für verrückt gehalten.
    «Einverstanden, Herr Meister», stimmte Simonis mir schließlich zu, «ich werde ihm nichts erzählen und ihm Order geben, uns die Ergebnisse seiner Recherche gleich morgen früh vorzulegen.»
    Wir trennten uns. Jetzt erwarteten mich andere dringende Pflichten.

20.

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