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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Kaffeehausbesitzer, einem gewissen Kolschitzky, erfunden worden, um die Befreiung Wiens vom osmanischen Halbmond zu feiern. Darum haben sie die Form einer Mondsichel.»
    «Sind wir in einem Kaffeehaus von Armeniern?», fragte der Abbé.
    «Alle Lokale, wo Kaffee ausgeschenkt wird, sind in der Hand der Armenier», antwortete der Grieche. «Sie waren es, die die Kaffeehäuser eingeführt haben, und sie haben ein exklusives Kaiserliches Privilegium dafür.»
    «Habt Ihr je welche persönlich kennengelernt? Ein sehr eigenartiges Völkchen, wie mir scheint», versuchte ich Melani zu provozieren, an seine geheime Zusammenkunft mit dem Armenier denkend.
    «Ich habe von ihnen gehört», sagte er hastig und steckte seine Nase in den heißen Aufguss.
    Die Armenier und der Kaffee: Während ich das adlergleiche Profil des Abbé Melani betrachtete, die schwarzen Augengläser, die ihm das Aussehen eines alten Uhus mit Perücke verliehen, dachte ich an die Vergangenheit.
    Wieder einmal schoss aus der Stadt der Habsburger ein Pfeil hervor, der sich in mein Gedächtnis bohrte und Erinnerungen an die Zeit vor achtundzwanzig Jahren lebendig werden ließ. Alles führte zurück in meine Jugend, in jene Locanda bei der Piazza Navona, wo ich, ein bescheidener Hausbursche, Abbé Melani und meine Cloridia kennengelernt hatte. In diesem Gasthaus logierten häufig kleine Gesellschaften von Armeniern, die einen ihrer Bischöfe auf seinem Besuch der Ewigen Stadt begleiteten. Schüchtern und ehrerbietig, wie ich war, beobachtete ich diese exotischen Prälaten und ihr Gefolge, wagte aber nicht, Fragen zu stellen, obwohl ich neugierig war. Ich wusste, dass sie auf ihrer Reise nach Rom in Wien haltgemacht hatten. Noch immer sah ich ihre langen schwarzen Gewänder vor mir, ihr misstrauisches und gleichzeitig unterwürfiges Gebaren, die olivenfarbene Haut, die aschgrauen Augen, und ich entsann mich des sonderbaren Geruchs, der sie umgab, eine kräftige Mischung aus Gewürzen und Kaffee.
    In Wien hatte ich dann entdeckt, dass das schwarze, orientalische Getränk und das armenische Volk eins waren. Gerne steckte ich von Zeit zu Zeit die Nase in einen dieser dunklen, aber gemütlichen Räume, wo man Gazetten las, rauchte, Schach oder Billard spielte. Und auch ich gönnte mir gelegentlich eine Tasse heißen Kaffees, meinem Herrgott für den Wohlstand dankend, den ich in Wien genoss. Dabei las ich zerstreut meine – italienische – Gazette, in der Hoffnung, niemand würde mich ansprechen und mich zum Gebrauch meines erbärmlichen Deutsch nötigen. Und wenn ich ab und zu die Augen hob, fiel mein Blick wohlgefällig auf diese Armenier, Menschen mit türkischen Gesichtszügen, doch zurückhaltend, arbeitsam und still, und ich freute mich, dass sie das Kaffeehaus erfunden hatten, diesen einzigartigen, unvergleichlichen Ruhm der erhabenen Stadt Wien.

    Von Penicek war noch immer nichts zu sehen. Langsam wurde ich ungeduldig.
    «Dieser Ring», hörte ich Melani sagen, als ich aus meinen Betrachtungen auftauchte und sah, wie er Simonis seine Hand zeigte, «soll ein wirksames Mittel gegen die güldenen Adern sein, wenn man ihn an den kleinen Finger der rechten Hand steckt und ihn fortwährend mit der anderen Hand umschließt. Eine meiner Nichten gab ihn mir.»
    Von wegen Nichte, dachte ich lächelnd. Während der Probe zum Heiligen Alexius hatte er mir gesagt, der Großherzog der Toskana habe ihm den Ring geschenkt. Immer schön vorsichtig, der Herr Abbé …
    «Ich hoffe, er wirkt», fuhr Atto unterdessen fort. «An den kleinen Finger der linken Hand gesteckt, ist er auch dienlich bei Zahnweh und Kopfschmerzen.»
    «Megalleh Tekuphot.»
    Wir drehten uns um. Der da gesprochen hatte, war ein alter Mann am Nebentisch, klein und gebeugt, mit einem verstörten Blick.
    «Euch hat das Megalleh Tekuphot getroffen, das Schädliche Blut der Hämorrhoiden», wiederholte er, zu Melani gewandt. «Ihr seid ein verfluchtes Wesen.»
    Wir sahen ihn bestürzt an. Atto zuckte zusammen.
    «Tekuphah bedeutet Kreislauf, wie eine Kugel, die sich dreht, oder wie die Sonne, die vom Morgen bis zum Abend ihre Umlaufbahn beschreibt, bis sie am nächsten Tage wiederkehrt.»
    Wir tauschten vielsagende, fast erleichterte Blicke: Unser Gesprächspartner schien ein wenig verwirrt.
    ‹«Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder›, sagt der Evangelist Matthäus. Jesus Christus ward gekreuzigt; um ihn ans Kreuz zu nageln, wurden vier Nägel gebraucht, und nichts anderes ist das Blut der

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