Veritas
durchdringend, nachdem wir etliche leere hinter uns gelassen hatten.
Wir hatten Populescu im schönsten Augenblick erwischt. Glücklichweise war Cloridia nicht dabei: Dragomir stand mit dem Rücken zu uns, die Hosen herabgelassen, den Oberkörper vorgebeugt. Unter ihm durfte man sich wohl seine amouröse Eroberung denken.
«Er hat sich versteckt, damit keiner sieht, wie winzig sein Zipfelchen ist. Nichts zu machen, Dragomir, deine Freundin wird es trotzdem merken!», grinste Koloman.
Da hörten wir die Schreie. Es war Cloridia, sie rief um Hilfe.
Wir stürzten zu ihr. Abbé Melani lag rücklings auf dem Treppchen der Kapelle, welche er soeben mit meiner Frau betreten hatte, und schwamm in einer schwarzen Lache.
«Signor Atto, Signor Atto!», rief ich, ihn unter den Achseln packend.
«Die Tekuphah, der Fluch …», keuchte er und griff sich an die Brust.
Er lebte zum Glück. Doch in der Dunkelheit erkannten wir, dass sein Haupt und sein Gesicht blutüberströmt waren.
Die nächsten Augenblicke waren, gelinde gesagt, verworren. Was war geschehen, wer hatte ihn verletzt, wie hatte das trotz Cloridias Gegenwart geschehen können? Während Koloman und Simonis mir halfen, Atto auf den Fußboden der Kapelle zu legen, sah ich meine Frau an, die vor Angst wie gelähmt war.
«Ich … ich weiß nicht … plötzlich war da dieses Blut …», stammelte sie.
Uns beiden stand die Erinnerung an die Prophezeiung des alten Narren im Kaffeehaus im Gesicht geschrieben.
Ein Schauer lief mir wie ein heißes Prickeln vom Kopf über die Schultern. Schwanden mir womöglich vor Angst die Sinne? Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Sie waren klebrig und feucht. Ich betrachtete meine Handfläche: Blut. Ich fühlte die Ohnmacht nahen.
«Einen Moment», griff der Grieche ein.
Er schob mich resolut beiseite und streckte an dem Fleck, wo ich zuvor gestanden, die Hände aus, wie um zu prüfen, ob es regnete. Tatsächlich: Dicke Tropfen schwarzer Melasse fielen von der Decke der Kapelle auf uns herab.
«Das ist das Blut. Es kommt von oben», sagte Simonis, indem er seine mit grausigen Tropfen besprenkelten Handflächen betrachtete.
Dann bedeutete er Koloman, der schmächtiger war als er, auf seine Schultern zu steigen.
«Da oben liegt etwas», sagte der Ungar, während er in der Dunkelheit den Zierrahmen über unseren Köpfen abtastete, der sich durch den ganzen Innenraum des kleinen Tempels zog. «Etwas wie … ein Käfig.»
Dann zog er hinter dem Rahmen eine Art Schachtel aus Eisen mit durchlöcherten Wänden hervor. Wir öffneten sie.
In einer ekelhaften, blutigen Lache lag dort ein armer, schlaffer Stumpen, den niemand in einem so erbärmlichen Zustand einer Frau hätte zeigen wollen. Nur die beiden Kugeln, welche Gott für die Fortpflanzung erschaffen hat, schienen ein wenig Würde zu bewahren. Der Rest waren Haut, schwammiges ausgeblutetes Fleisch, Härchen und traurige Fleischfetzen, von einem groben Säbel roh zerteilt, entstellt und unkenntlich wie eine Totenmaske.
Koloman wandte sich augenblicklich ab, seinen Ekel mühsam zurückhaltend. Simonis und ich aber starrten wie hypnotisiert auf dieses Schauspiel sinnloser Grausamkeit. Wem konnte nur einfallen, ein männliches Glied so grotesk zu zerfleischen?
Abbé Melani, den Cloridia unaufhörlich beschwor, sich nicht aufzuregen, denn dies sei nicht sein Blut und es gehe ihm ausgezeichnet, erholte sich unterdessen langsam von dem Schreck.
«Verflucht nochmal», bemerkte Koloman, zu seinem Witz zurückfindend, «ich wusste ja immer schon, dass mit teutonischen Weibern nicht zu scherzen ist. Das hier muss Dragomir sich unbedingt ansehen.» Und er ging zu der Kapelle zurück, wo Populescu, wie auch alle anderen Pärchen, offenbar zu beschäftigt gewesen war, um sich von Cloridias aufgeregten Schreien abzulenken zu lassen.
Wir blieben um den kleinen Käfig mit seinem abstoßenden Inhalt stehen. Alle waren zu erschüttert, um sprechen zu können. Cloridia konnte den Blick nicht von dem makabren Behältnis der abgeschnittenen Schamteile lösen; sie schien nachzudenken. Zu unser aller Überraschung betastete sie plötzlich den Käfig, fand ein Türchen und öffnete es. Dann hob sie den Behälter an und befühlte dessen Boden, als ließe sie sich von den Fingerspitzen sagen, was die Dunkelheit den Augen verbarg.
Der Ungar tauchte fast sofort wieder auf, das Gesicht von leichenhafter Blässe, einen irren Blick in den Augen.
«Wir müssen sofort von hier weg, alle», sagte
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