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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Überblick und den rechten Rat für mich bereit. Jetzt aber hatte sogar sie geglaubt, der Derwisch habe zur Genesung des Kaisers beitragen wollen, wodurch sie sich und mich zu einem fatalen Irrtum verleitet hatte. Wie Atto war auch sie von den neuen Zeiten überrannt worden. Und ich begriff, dass jetzt nicht einmal mehr mein süßes kluges Weib mir Zuflucht vor dem Gefühl der Hekatombe bieten konnte, das meine Seele erfüllte.

    Während ich so unter Tränen grübelte, fuhr Cloridia ahnungslos mit ihrer Erzählung fort. Franz und Camilla heirateten, und was von da an geschah, hatte die Chormeisterin selbst uns berichtet: Als der Krieg um die spanische Erbfolge ausbrach, kehrten sie nach Wien zurück, wo sie erfahren mussten, dass Camillas und Cloridias Mutter inzwischen gestorben war. Franz trat wieder in Josephs Dienste und mit ihm seine Frau. Aber der junge Deutschrömische König erkannte in ihr die türkische Sklavin, in die er sich einst verliebt hatte, nicht wieder. Ein Jahr später starb Franz.
    Obwohl er nicht wusste, wer sie war, fühlte sich Joseph erneut zu Camilla hingezogen, ja, er gewährte ihr diesmal (wie wir schon von Gaetano Orsini wussten) sogar seine Freundschaft und sein Vertrauen. Um Joseph für seine Zuneigung zu danken, komponierte die junge Frau für ihn vier Jahre lang jedes Jahr ein Oratorium, doch sie wollte auf keinen Fall bezahlt werden, und das hatte mich so argwöhnisch gemacht.
    Jetzt hatte Camilla es uns erklärt: Sie fürchtete, ihr Name könne den Zahlmeistern bekannt werden, die Josephs private Kassen oder auch die Kasse für die Hofbediensteten verwalteten. Dann hätte man ihr Fragen zu ihrer Person gestellt, und bei der Wiener Vorliebe für Genauigkeit hätte man früher oder später entdeckt, wer sie in Wirklichkeit war.
    Also hatte sie es vorgezogen, ihren Unterhalt zu verdienen, indem sie durch Österreich reiste und sich als Heilerin mit dem Dinkelkorn verdingte, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Zum Glück stammte diese Methode aus derselben Tradition, von der sich vor Jahrhunderten auch die Heilige Äbtissin Hildegard von Bingen hatte leiten lassen, ein Umstand, der es Camilla gestattete, sich zu einer Schülerin Hildegards zu erklären und ihre orientalische Herkunft geheim zu halten. In Wien konnte sie nicht praktizieren, denn dort musste man examiniert und approbiert sein, das heißt, man benötigte eine Lizenz der Universität. Außerdem lebte Kardinal Collonitz noch bis 1707, es war also besser, sich nicht allzu oft in der Kaiserstadt blicken zu lassen.
    Als Joseph sie am Ende des vergangenen Jahres 1710 gebeten hatte, sich in der Hauptstadt niederzulassen, da er ihren Rat brauchte, hatte sie sich wieder geweigert, Geld von ihm anzunehmen. Als Vorwand hatte sie angeführt, dass sie nicht mehr komponieren wolle. Stattdessen hatte sie den Wunsch geäußert, in ein Kloster zu gehen. Ihre Majestät hatte sie der Himmelpforte zugewiesen, gegenüber der Wohnstatt der jungen Pállfy, die Eugen von Savoyen im Straßoldischen Hause, unweit von seinem Palais, untergebracht hatte.
    Als der Kaiser sie dann gebeten hatte, ein Oratorium zu Ehren des Päpstlichen Nuntius einzustudieren, hatte sie dafür die letzte ihrer Kompositionen gewählt, den Heiligen Alexius . Was ich noch nicht wusste, war, dass dieses Oratorium eine besondere Bedeutung barg: Camilla hatte sich selbst darin dargestellt, denn wie Alexius war sie zurückgekehrt, ohne dass jemand sie erkannte. Wer weiß, ob Camilla sich dem Kaiser bei ihrer letzten Begegnung doch noch offenbart hatte, so wie Alexius von den Eltern und der Braut erst auf dem Totenbett erkannt wird? Cloridia hatte mir berichtet, ihre Schwester wolle nicht darüber sprechen, sie bete Tag und Nacht, um ihrer Verzweiflung Herr zu werden.
    Das Bildnis der kleinen Mädchen in dem herzförmigen Anhänger waren also nicht meine Töchter, sondern Cloridia und Camilla als Kinder. Das Halsband hatte ihrer Mutter gehört – es linderte den Schmerz über die ihr allzu früh entrissenen Töchter –, und nach ihrem Tod war es im Hause von Gerolamo Giudici geblieben, dem Statthalter Collonitz’.

    Als Atto, Simonis und ich am gestrigen Tage vom Ort Ohne Namen nicht zurückkehrten, hatte Cloridia sich besorgt an die Chormeisterin gewandt. Sofort hatten sie sich mit einer kleinen Kutsche des Klosters gemeinsam auf den Weg zum Neugebäu gemacht. Camilla ahnte, dass etwas Ungewöhnliches vor sich gehen musste, und hatte vorgeschlagen, in dem Weinkeller,

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