Veritas
sagte Simonis. «Er kommt aus Bulgarien, aber er hat lange in Bologna studiert.»
«Wohl wahr, ich habe meinen Wissensdurst an den Brüsten der Alma Mater Studiorum gestillt», bestätigte dieser, indes er den Bierkrug erhob.
«Jetzt stillt er seinen Durst auf andere Weise», scherzte ein neu Hinzugekommener, eine Bohnenstange mit einem Rücken wie ein Schrank, der sich als Jan Janitzki Graf Opalinski vorstellte und Pole war. «Davor noch dürstete ihn nach meiner Schwester Ida, die ist nämlich beim Ballett.»
«Schweig, du Trunkenbold. Der Beanus, den andere auch Bacchanten nennen», setzte Hristo zu einer Erklärung an, nachdem er sich das Bier in die Kehle gegossen hatte, «ist noch kein Student und darum nicht mal ein Mann. Er hat gebeten, in die Universität aufgenommen zu werden, aber sein Wesen ist noch viehisch, wie das eines Schweins, einer Kuh oder eines Esels. Er muss beweisen, dass er imstande ist, sich über seine animalischen Leidenschaften zu erheben, aber erst wenn er die Prüfung der Deposition besteht, wird ihm gestattet, Teil einer menschlichen Gesellschaft zu werden.»
«Der Deposition?»
«Der depositici cornuum », versetzte wieder ein anderer, ein Jüngling mit rabenschwarzem, wallendem Schopf, einem schönen Schnurrbart und schlauen, braunen Augen. «Heute Abend wird er die Hörner des Viehs ablegen und endlich ein menschliches Wesen werden!»
«Diese brillante Erklärung hat Euch soeben ein guter Freund von mir geliefert», verkündete Simonis. «Ich stelle Euch den Baron Koloman Szupán vor. Er kommt aus Warasdin in Ungarn und besitzt einen großen Bauernhof mit über achtzehntausend Schweinen.»
«Ja, genau, und ich habe achtzigtausend Schweine», verspottete ihn ein rundlicher und fast kahler kleiner Mann, der mir vorgestellt wurde als der Fürst Dragomir Populescu, gebürtig aus Rumänien. «Koloman trägt denselben Namen wie Sankt Koloman, der Schutzheilige der Studenten, aber er lästert ihn mit seinen Lügen, denn wenn er ein Baron ist, bin ich der Papst; ein Zigeunerbaron, das ist er, mehr nicht, hahaha! Wenn er wirklich achtzehntausend Schweine hat, wie er erzählt, warum hat er uns dann noch nie einen Schinken mitgebracht?»
Die Freunde brachen in Gelächter aus, aber Koloman gab sich nicht geschlagen:
«Und was ist mit dir, Populescu, der du dich immer dann als Fürst ausgibst, wenn du hinter Frauen her bist?»
«Reg dich nicht auf, Dragomir, bleib ganz ruhig!», brummelte Dragomir in sich hinein, erglühte dabei vor Zorn und richtete den Blick nach oben.
«Was heißt hier aufregen, du bist doch besoffen wie ein Esel!», mischte sich Hristo, der Bulgare, ein.
«Und du bist ein Schwamm in einem Bierfass», wurde ihm wiederum von einem Schönling beschieden, der so aussah, als genösse er das Leben in vollen Zügen. Er hörte, wie mir erklärt wurde, auf den Namen Graf Danilo Danilowitsch und kam aus Pontevedro, einem kleinen Staat, von dem ich noch nie gehört hatte.
«Entschuldigt bitte: Aber wie kommt es, dass ihr alle meine Sprache so gut beherrscht?», fragte ich erstaunt.
«Das ist doch klar: Wir haben alle in Bologna die Medizinische Wissenschaft studiert», antwortete Hristo.
«Aaah, die Italienerinnen!», schmachtete Opalinski.
«O ja, Weiber, Weiber, Weiber!», seufzte Danilo Danilowitsch augenzwinkernd.
«Die Italienerinnen … reg dich nicht auf, Dragomir!», brummte Populescu mit träumerischem Blick.
«Doch dann ist vor zwei Jahren mit dem Krieg und der Hungersnot dieser abscheulich eisige Winter gekommen», erzählte Hristo weiter, «und wir sind alle nach Wien gezogen.»
«Und das haben wir nicht bereut!», ergänzte Koloman. « O Österreich! Vortreffliches Land, reich an strömenden Wassern, mit Weinbergen bepflanzet, strotzend von Früchten und Fischen, reich an Holz! Und du, mächtige Donau, größter Fluss Europas, edel ist dein Ursprung bei den Schwaben im Schwarzwald, breit durchquerst du Bayern, Österreich und Ungarn, mächtig teilst du Serbien und Bulgarien, mündest mit sechzig starken Armen ins Schwarze Meer, und mit deinen erhabenen Wassern schmückest du viele prächtige Städte, deren keine jedoch reicher, keine bevölkerter, keine anmutiger ist als Wien!»
Ein Applaus brach los, und natürlich wurden die Krüge erhoben. An den Reden und der Vertraulichkeit, die diese Studenten im Umgang miteinander pflegten, erkannte ich, dass sie alle Kameraden waren, gewöhnt, ihr Bier, ihre Plaudereien, manch seichten Spaß und die ausgelassene
Weitere Kostenlose Bücher