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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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spritzt in mein Gesicht. Zwischen Furcht und Faszination.
    – Halte das Pferd an!, ruft Frau Wadenpohl.
    Glaubt die, das macht mir Spaß? Das will ich ja, aber wie? Ohne Gewehr …
    Mir fällt das magische Wort ein, und ich rufe dem Pferd ins Ohr, – Ho! Ho! Ho!
    Darauf halten in Filmen die Pferde doch immer an.
    Frau Wadenpohl ruft, – Was machst du da? Du bist doch nicht der Weihnachtsmann!
    Ich gebe auf.
    Abwechselnd versuchen Frau Wadenpohl und zwei andere Reitlehrerinnen sich meinem verrückten Gaul in den Weg zu stellen. Immer wenn wir auf fünf Meter an sie rangekommen sind, springen sie zur Seite und rudern mit den Armen.
    Mutti steht in der Mitte der Halle und kreischt.
    Meine Kräfte schwinden, ich flehe, – Erschießt es! Erschießt es!
    Die gute Frau Wadenpohl hat die rettende Idee. Sie stellt sich breitbeinig hin und schwingt ein Lasso über ihren grauen Haaren. Old School.
    Als wir auf ihrer Höhe sind, wirft sie das Lasso dem Pferd über den Kopf, oder besser, sie versucht es, verfehlt nur knapp ihr Ziel, und ich fühle das fingerdicke Seil um meinen Hals, spüre, wie es sich zuzieht, – Gnnng …
    Für einen Moment schwebe ich schwerelos in der Luft, horizontal auf dem Rücken liegend. Zeitlupe. Über meine bis zum Anschlag herausgestreckte Zunge, vorbei an meinen zu Krallen gekrümmten Fingern und den glänzenden, schwarzen Stiefelspitzen sehe ich, wie sich der braune Arsch des Pferdes von mir entfernt, seine Hufe, fliegende Sägespäne.
    Dann krache ich auf den Boden. Die Neonlichter der Hallendecke zittern. Von dem Aufprall und dem zugezogenen Lasso um meinen Hals bleibt mir die Luft weg. Um mich herum explodieren Sterne. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass die Wucht auch Frau Wadenpohl zu Boden gerissen hat, und beobachte, wie das Pferd augenblicklich anhält und so tut, als ob es grase, während Mutti von rechts panisch auf mich zuläuft. Alles in totaler Stille.
    Röchelnd schaffe ich es, den zugezogenen Knoten um meinen Hals aufzuziehen. Ich knie in den Sägespänen und werfe das Lasso von mir weg, ich schnappe nach Luft, keuche. Es rasselt im Hals. Wow, was für eine Show!
    – Cool!, sage ich.
    Mutti bremst vor mir ab, Frau Wadenpohl spuckt Sägespäne aus und blickt vom Boden auf, die anderen beiden Reitlehrerinnen schauen zu mir, ja, selbst der Gaul glotzt rüber.
    – Bist du verletzt? Bist du verletzt?
    – Nein.
    – Wirklich?
    – Wirklich, ist nix. Als mich damals der Datsun vom Fahrrad geschossen hat, das war härter, sag ich.
    – Welcher Datsun?, fragt Mutti mit erstickter Stimme.
    Oh, shit.
    Und sie schreit, – Noootaaaaarzt!

23

    Schwärze. Als ich wieder zu mir komme, höre ich als Erstes dieses schrille Klingeln im Kopf. Ich versuche, meine Augen zu öffnen, aber es klappt nicht. Alles bleibt schwarz.
    Blind, der Typ hat mich blind geschlagen.
    Sofort steigen mir Tränen in meine sinnlos gewordenen Augen. Ich höre mich wimmern.
    Plötzlich sehe ich verschwommen Licht. Deckenleuchten huschen über mir vorbei, ich liege, ich werde getragen, ich liege auf einer Trage. Und was mir zuvor den Blick versperrt hat, ist ein blauer Beutel Eis. Er verschwindet aus meinem Blickfeld, und stattdessen erscheint undeutlich der rote Werner.
    – Du heulst? Was heulst du? Hör sofort auf zu heulen. Ich sollte heulen. Wenn hier einer Grund zum Heulen hat, dann ich! Wie kann man sich so einen auf die Omme geben lassen? K. o., k. o. von einem Schlag, vom ersten Schlag! Wenn du nicht k. o. gewesen wärst, hätte ich dir in den Arsch getreten. Ach, ich hätte dir auch so in den Arsch treten sollen, so, wie du da mit dem Bauch über den Seilen gehangen hast. So blöd hat sich noch niemand angestellt. Wie ein Kleinkind beim Kacken. Der erste K. o., bevor der Gong ausgeklungen ist. Wie kann man sich so blamieren. Ach, Blamage klingt noch zu gut, das war schlimmer, unterirdischer, dafür muss man noch ein Wort erfinden. Nach dir sollte so was benannt werden, auf alle Ewigkeiten, gefrankyt, oder gefrankt, oh, so, hi, ey, gestern, den Typen hab ich voll gefrankt. Gefrankt, das hört sich sogar gut an. Asche war das, Asche. Frankyboy, das war Asche. Mannomann.
    Er wirft ein gelbes Handtuch auf den Boden und brüllt meine beiden Träger an, – Jetzt stellt ihn schon ab! Er ist wieder da. Der kann wieder laufen.
    Unsanft werde ich abgelegt. Sechs Beine um mich rum, Männerbeine, einer meiner Träger ist der Bubi mit dem harten Schlag. Er und der andere gehen zurück in die Richtung,

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