Verkehrt!
sagt sie.
– Genau, sagt er zu ihr und wendet sich dann wieder an mich, – Aber du wirst jetzt kein Spanner, richtig?
– Nein!
Die Türschelle röchelt, halb ein Klingeln, halb ein Brummen.
– Gehst du?, fragt er mich.
Ich schlurfe zur Wohnungstür und ziehe sie auf. Ein Mann Mitte vierzig steht vor mir, verschmitzt grinsend, mit roten Haaren, rotem Gesicht, platter roter Nase, rotem Trainingsanzug und roten Nike-Sneakers, etwas füllig.
– Hey! Heute ist dein großer Tag!
– Hurra, gebe ich null begeistert zurück.
– Was ist? Hast du mich nicht hupen hören?
Ich überlege kurz, mein Kopf ist leer.
– Was hast du gemacht? Die Nudel geschwungen, den Dicken gedrückt? Ich hoffe, du hast noch ein bisschen Energie übrig! Komm jetzt, Franky.
Wohin? Hast du vergessen, mir was zu sagen, Franky-Frank? Aber okay. Ich muss wohl mit. Der kennt mich. Ich rufe in die Wohnung, – Ich bin weg!
Harry ruft zurück, – Weg mit wem? Wohin?
Tja, wenn ich das wüsste. Mit dem Roten. Soll ich das …
Der Rote nimmt mir die Entscheidung ab, er ruft, – Mit Tom Waits, kleine Kneipentour.
Das Gelächter aus dem Wohnzimmer, – Alles klar, Werner.
Und leiser höre ich Harry sagen, – Stimmt, ist ja schon wieder Mittwoch!
Er hält mir den Daumen nach oben entgegen und grinst.
Keine Ahnung, warum.
Mittwoch, Reiten, ich habe Reiten, hätte Reiten. Frank hat jetzt Reiten. Oh nein.
Ich gehe los wie ein Roboter. Mit der Hand hält er mich auf.
– Was ist mit deinen Sachen?
Reiten. Frank muss reiten, auf Suzy. Arme Suzy. Welche Sachen eigentlich? Schritte im Flur hinter mir, die Stimme von Harry, – Frank, schnapp!
Ich drehe mich um. Eine Sporttasche fliegt kometengleich auf mich zu und trifft mich, bevor ich die Arme hochkriege. Sie wirft mich aus meiner Umlaufbahn, und ich taumele gegen den roten Werner.
Der hält mich fest in seinen Armen wie ein Filmstar seine Schauspielerin und sagt, – Auweia, das kann ja was geben mit dir heute. Du schleuderst dir besser keinen mehr vor dem Training.
20
Reiten. Ich bin noch nie geritten. Ich hatte auch noch nie diese komischen Stiefel an, und ich steckte vorher noch nie in diesem Körper, und beides zusammen macht das Gehen nicht einfacher.
– Hast du was im Stiefel?
Mutti folgt mir den Gang runter, der angeblich zu unserem Pferd führt. Es stinkt bestialisch nach Pferdescheiße.
– Nein.
– Passen dir die Stiefel nicht mehr richtig?, fragt Mutti.
– Ist okay.
– Bist du gewachsen?
– Nein.
– Meine Kleine, ach. Wenn du gewachsen bist, dann kaufen wir eben ein neues Paar.
– Nicht nötig.
– Das mache ich gerne.
Ich schweige. Ihr Geseier geht mir auf den Geist, diese dauernden Wiederholungen.
– Wir können gerne morgen noch in den Horse-Store fahren und …
Ich bleibe stehen und drehe mich um, – Boah, ey, was verstehst du denn nicht? Nein, ganz einfach, nein. Nein. Ich bin nicht gewachsen. Die Scheißstiefel werden auch nicht kleiner, auch wenn du hundertmal fragst. Das hält ja kein Schwein aus.
Ich habe eine erwachsene fremde Frau angebrüllt und sie dabei noch geduzt. Abgefahren. Aber normal ist das auch nicht.
– Elizabeth, sagt sie nur mit großen Augen, – Teenager. Wirst du jetzt bockig?
– Bockig? Ich? Bockig? Soll ich mal …
Ich warte gar nicht erst ab, dass ich explodiere, sondern setze meinen Weg fort. Hinter mir sagt sie wieder meinen neuen Namen. Ich reagiere nicht.
Sie ruft, – Elizabeth, wo willst du hin? Hier!
Mutti zeigt in einen Seitengang.
Ich zucke mit den Schultern, – Da siehst du es, das macht mich wahnsinnig.
Nach der nächsten Tür stehe ich in den Sägespänen einer Reithalle. Vor mir scharrt ein riesiger brauner Gaul mit einem Huf im Boden. Gehalten wird er von einer toupierten Oma mit einem Gesicht, dem man ansieht, mit welchen Tieren sie sich seit Jahrzehnten umgibt.
Wir begrüßen uns alle mit Namen, ich natürlich als Letzter, aber durch Mutti weiß ich, dass sie Frau Wadenpohl heißt. Nach kurzem Smalltalk zwischen den beiden verstummen sie und schauen mich erwartungsvoll an.
John Wayne, dein Auftritt.
Je näher ich an das Pferd gehe, desto größer wird es. Wie soll ich denn in den Steigbügel kommen?
– Na?, sagt Frau Wadenpohl kurz.
Ich lächle selbstbewusst zurück und hebe mein linkes Bein.
– Hast du an alles gedacht, Elizabeth?
– Ja, klar.
– Willst du dann lieber eine Aufstiegshilfe?
– Sicher, warum nicht.
Mutti hält sich die Hand
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