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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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vor den Mund. Irgendwas kann sie nicht glauben.
    Sie führt das Pferd zu einer Art Treppe, und das sieht schon viel besser aus. John Wayne war ja auch größer als ich.
    Ich kann mich ganz gemütlich auf das Pferd setzen und stecke meine Füße in die Bügel. Easy.
    – Hast du wirklich an alles gedacht, Elizabeth?
    Ich soll doch reiten, ich sitze auf dem Pferd, sicher im Sattel, alles bestens.
    – Alles bestens.
    Ich recke einen Daumen hoch.
    – Dann halte dich gut fest.
    Ich nicke, und meine Fäuste umklammern den Knauf am Sattel.
    Daraufhin schiebt sie die Treppe weg.
    Mutti gibt ein Glucksen von sich. Und ich spüre, wie mein Hintern auf dem Sattel langsam zur Seite gleitet. Ich will mich in den Bügeln abstützen, da merke ich, dass nicht mein Hintern gleitet, sondern der Sattel! In einem Atemzug kippt die Welt auf den Kopf, und ich baumele wie doof unter dem Pferd, kopfüber, meine Stiefel eingeklemmt in den Bügeln des Sattels, der nun am Bauch des Pferdes hängt, mit den Händen auf den Boden gestützt, Sägemehl im Mund. Mein dämlicher Hut liegt neben mir. So schaue ich durch die Vorderbeine des Pferdes nach vorne. Ich höre das Gegacker der beiden Frauen, dann senkt sich der Pferdekopf falsch herum in mein Bild, und der Gaul schnaubt mich an.
    – Kann jemand das Pferd umdrehen!, rufe ich angestrengt, weil mir all mein Blut in den Kopf und in den Hals schießt.
    Das Gelächter wird lauter, mehrstimmig. Von allen Seiten werde ich beobachtet. Frau Wadenpohl und Mutti helfen mir aus den Steigbügeln und halten das Pferd fest, während ich seitwärts auf allen vieren wegkrabbele und Sägespäne ausspucke.
    Ich finde das gemein von Mutti, dass sie mir das nicht gesagt hat.
    Frau Wadenpohl schaut mich belehrend an, – Auch wenn man schon lange reitet, darf man nicht mit der Konzentration nachlassen.
    Ich rappele mich hoch.
    – Das Prüfen von Pferd und Material gehört dazu. Man darf sich auf nichts verlassen, auf niemanden, auf nichts. Bevor du aufsteigst: immer alles prüfen, auch den Sattel, alle Riemen, wieder und wieder, alles wiederholen. Und natürlich den Helm festzurren!
    Mutti strahlt selbstzufrieden, – Wiederholen, alles wiederholen!
    Frau Wadenpohl richtet den Sattel und zurrt ihn auch fest. Ich gehe an ihr vorbei auf das Pferd zu und schwinge mich hoch in den Sattel, mir ist egal, wie es aussieht. Schließlich sitze ich richtig auf dem Pferd.
    Frau Wadenpohl zeigt auf einige Hütchen und Kegel, Stöcke und Stangen, die sie wohl aufgestellt hat.
    Zum Glück weiß das Pferd besser als ich, was es zu tun hat. Aber nachdem wir einmal durch den Parcours gepflügt sind, sieht er aus, als wäre dort eine Horde Enthirnter durchgetrampelt. Kein Holz liegt mehr auf dem anderen, kein Kegel steht mehr.
    Mutti und Frau Wadenpohl glotzen geschockt.
    Und dann geht der scheiß Gaul auch noch mit mir durch.

21

    Ich sitze auf einem kleinen Hocker in der Ecke des Boxrings und starre meine Boxhandschuhe an. Der Ring steht mitten in einer Halle. Ringsum trainieren muskelbepackte Jungs und junge Männer an Sandsäcken und Boxbällen. Es riecht penetrant nach Männerschweiß, die Luft ist tropisch feucht, wie meine Fäuste in den Handschuhen.
    – Franky, schau mich an!
    Der rote Werner hat sich dicht vor mir aufgebaut, breitbeinig, eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere Hand unterstreicht seine Worte wild gestikulierend mit dem ausgefahrenen Zeigefinger. Um ihn anzuschauen, lege ich den Kopf in den Nacken. Ich sehe nur ihn und die Seile links und rechts.
    – Franky, bist du bei mir?
    Ich nicke, weil ich mich nicht traue, mit dem klobigen Mundschutz etwas zu sagen. Das Plastik drückt mir aufs Zahnfleisch. Ich kann kaum schlucken. Das Ding muss einem Riesen gehören mit einem Kiefer wie ein Brauereipferd. Hat das vielleicht wirklich schon jemand vor mir getragen?
    Würgegefühle.
    Denk an was anderes, Elizabeth.
    – Dann hör mir jetzt gut zu.
    Das werde ich versuchen. Aber obwohl er laut spricht und Spucke auf mich fliegt, dringen seine Worte nur gedämpft zu mir durch, denn der gepolsterte Kopfschutz hat nur kleine Ohrlöcher.
    – Franky, das ist er, dein erster Kampf, ein Sparringskampf. Aber auch ein Sparringskampf ist ein Kampf. Jetzt heißt es fighten. Und wie in einem echten Kampf musst du alles geben. Manche Trainer sagen an dieser Stelle, du sollst an dich glauben, aber das ist Babypisse. Du sollst nicht glauben, Franky, du musst es wissen, wissen, wer du bist. Du bist der Stärkste,

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