Verkehrt!
runter, nur um zu demonstrieren, wie er abrutscht und sich dabei ins Auge haut. Die anderen lachen.
Ich höre es gedämpft, mein Kopf ist heiß. Mein Auge tränt, die Nase läuft. Mein Hals schnürt sich zu. Am liebsten würde ich jetzt in Ohnmacht fallen und erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist.
Herr Rupert ist raus. Die meisten schlagen ihre Hefte auf.
– Was sollen wir machen?, frage ich Mario, ohne mich zu ihm zu drehen.
– Deinen feuchten Traum aufschreiben.
Wieder Gelächter.
– Aber ohne Geschenke im Heft zu lassen, setzt er hinzu.
Ich stehe auf. Spielt sowieso keine Rolle mehr.
– Hey, wohin?, fragt Chris.
– Aufs Klo, sagt Mario, wo sonst? Der geht aufs Klo. Wir haben so viel von Sex gelabert …
Die Jungs biegen sich an ihren Plätzen.
Ich gehe einfach, mein Rucksack baumelt in meiner Hand. Demonstrativ gehe ich an Frank vorbei und raus aus der Tür. Vom Rektor ist nichts zu sehen.
Ich könnte aufschreien, heulen, kreischen, fluchen, alles auf einmal. Schwindel im Kopf, einen Kloß im Magen und das Herz schwer.
Frank muss auch rauskommen, er muss mir folgen. Wo bleibt er denn? Wahrscheinlich will er nicht, dass das große Gepfeife losgeht. Dabei wäre das jetzt auch egal.
Ich gehe langsam den Flur runter zum Ausgang und lausche auf jedes Geräusch aus unserem Klassenraum. Die Türklinke bewegt sich nicht.
Der lässt sich wirklich Zeit. Wahrscheinlich ist er geschockter als ich. Er ist ja etwas einfacher gestrickt. Der braucht noch ein bisschen länger als ich, um das zu verdauen.
Aber er hat mich doch rausgehen gesehen. Oder? Oder hat er geträumt? Der bringt das fertig und sitzt da einfach in Schockstarre.
Ich lege meine Hand an die große Scheibe der Tür, um sie aufzudrücken, und werfe einen letzten Blick den Gang runter.
Vielleicht hat er wirklich nicht gesehen, dass ich raus bin, und sitzt immer noch wie versteinert neben Clarissa.
Der Arme.
Endlich wird die Klassentür geöffnet, und Frank kommt heraus. Er rennt winkend und lächelnd auf mich zu. Mir fällt eine Zahnpastawerbung ein.
Winkend und lächelnd.
Er hat noch nichts verstanden. Er muss doch wissen, was das bedeutet.
– Was hast du?, fragt er, als er bei mir ist.
– Wie, was habe ich? Hast du nix?
– Na ja …
– Herr Berntchen ist krank! Der ist nicht da. Wir können heute nicht …
– Dann eben morgen.
Der kann doch nicht sagen: Dann eben morgen!
– Was? Wie? Du kannst doch nicht einfach mit den Schultern zucken. Wann denn morgen?
– Nicht so laut, sagt er, und ich sehe die Blutergüsse am Hals, meinem Hals.
Ich ziehe den Kragen runter, – Was ist das?
– Hast du ’ne Macke? Pratzen weg! Wenn das einer sieht! Gehst mir an die Wäsche …
– Woher sind die Blutergüsse? Wolltest du dich erhängen?
– Ich bin vom Pferd gefallen. Beim Reiten.
– Mit dem Zügel um den Hals?
– So ähnlich.
– Das ist doch nicht etwa etwas Sexuelles?
– Boah, denkst du versaut! Das sieht man dir gar nicht an.
– Nein …
– So eine bist du!
– Nein, ich bin nicht so eine.
Ich will noch was nachsetzen, doch er schiebt mich raus auf den Schulhof.
– Was gibt das?, frage ich.
– Ich habe keinen Bock, vom Direx hier festgesetzt zu werden. Du vielleicht?
– Nein. Also?
– Lass uns ’ne Runde um den Block.
– Ach so, ein bisschen spazieren gehen!
– Eli…
Er hakt sich bei mir ein und zerrt mich mit. Ich schüttele mich frei.
– Spinnst du! Und wenn das einer sieht! Wie ich dich in den Arm nehme.
Frank geht weiter. Ich gucke mir selber auf den Arsch. Sieht sogar in der Jeans gut aus. Komischer Gedanke jetzt.
– Was hast du dir … mir … da eigentlich angezogen? Willst du mich ruinieren?
Weil er weitergeht, höre ich ihn nur noch leise, – Komm jetzt besser. Wenn dich der Direx sieht, bist du bis heute Abend in der Schule.
Ohne sich umzudrehen, fragt er, – Wie war ich in meinem ersten Kampf?
– Ehrlich gesagt …
– Shit. Hab ich wenigstens mit Stil verloren oder wie ein Mädchen?
– K. o.
– Welche Runde?
– Die erste.
– Was?
Am Tor habe ich ihn eingeholt.
– Was? Wie kann man sich denn in der ersten … Werner muss geschäumt haben …
Wir biegen links ab, marschieren eine Weile nebeneinanderher, vorbei an Apotheken, Bäckereien, Handyshops und einem Internetcafé.
– Was ist eigentlich mit deinem Vater? Geschieden?
– So ähnlich, der arbeitet im Ausland die meiste Zeit des Jahres.
– Ah, wo
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