Verkehrt!
Helmut.
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– Be… li… krk… na… ng… kl… ch …
Nur abgehackt ist der Ton aus den Lautsprechern des Computers zu hören. Das Bild ruckelt, der Mann mit Anzug und Krawatte fummelt mit beiden Händen an seinem Mikrophon und den Verbindungskabeln herum.
So sieht also mein neuer Vati aus.
– laub… wird… angsa… sser… d… bindung …
Mutti hatte ihm kurz zugewunken und einen Kuss zugeworfen, dann hat sie mir einen Schmatzer auf die Wange gegeben und mich mit ihm alleine gelassen. Sie wollte pünktlich bei Claudia sein, wir würden ihn ja in achtundvierzig Stunden sehen.
Er sitzt offensichtlich in seinem Büro. Weit ragt die Rückenlehne seines schwarzen Ledersessels über seine Schultern, und auf einem Aktenschrank hinter ihm türmen sich die Ordner.
In Singapur ist es frühmorgens.
– Verstehst du mich jetzt? Verstehst du mich jetzt?
– Ja, sage ich.
– Wie war deine Woche?
– Gut.
– Und die Schule?
Bringen alle Erwachsenen die gleichen Sprüche, weltweit?
– Steht noch. Wie ist Singapur?
Er zieht die Augenbrauen hoch, – Viel zu tun. Viel zu tun.
Hat der blöde Vogel das etwa von ihrem Vater, mit dem Wiederholen?
– Freust du dich ein bisschen?, fragt er mich.
– Klar!
– Das klang das letzte Mal nicht so.
– Och, doch.
– Keine Angst mehr vorm Fliegen?
Ups.
– Nein.
– Tatsächlich?
– Ja.
– Wie kommt’s?
– Einfach so.
– Wenn du ein Rezept dafür hättest, ließe sich viel Geld damit machen.
– Leider nicht.
– Hast du schon gepackt?
– Ja.
– Das klappt auf jeden Fall mit den drei Tagen in Thailand.
– Ich dachte, drei Wochen?
– Ja, ja, für euch. Ich kann nur drei Tage hier weg.
Er schaut sich im Büro um, als sähe er es zum ersten Mal.
– Drei Tage.
– Ja.
Na, die bekommen wir auch noch rum.
Ein Telefon schellt in seinem Büro. Er wirft einen kurzen Blick auf das Display, und seine beiden Hände werden aktiv. Die eine ist auf dem Weg zum Hörer, die andere reicht zum Keyboard.
– Du, Elizabeth, den Anruf muss ich annehmen, wir sehen uns ja in ein paar Stunden. Ich wünsche euch einen guten Flug, grüß mir Mutti, tschüssi.
Bevor ich mich verabschieden kann, ist das Videobild schwarz.
Ich atme durch. Immerhin bin ich nicht aufgefallen.
Auf dem Bildschirm blinkt links unten ein grüner Button, dahinter steht:
User SexyHexe klopft bei Ihnen an.
Ich grinse, eigentlich wollte ich den Computer runterfahren, aber jemanden, der den Skype-Account dieser Familie kennt, muss ich kennenlernen.
Mit der Maus führe ich den Pfeil auf den Button und klicke.
Augenblicklich erscheint das Videobild auf dem Bildschirm. Ich sehe mich, wie in einem Spiegel, wütend.
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Hab ich ihn! Da glotzt er ganz schön blöde. Damit hat er nicht gerechnet, aber ich weiß ja, wann Vati und ich skypen.
– Ha, mich hast du nicht erwartet, was?, sage ich in das Mikro.
So darf ich echt nicht gucken, da sehe ich richtig primitiv aus.
Frank schüttelt den Kopf.
– Hast du gedacht, du beantwortest einfach nicht mehr meine Anrufe und ich bin aus deinem Leben?
– Nein, ich …
– So einfach nicht. So einfach gebe ich nicht auf.
Er greift zur Maus. Er will die Verbindung unterbrechen.
– Nicht! Ich bin noch nicht fertig.
Er hält tatsächlich inne.
– Glaubst du, ich werde dich in Ruhe lassen? So nach dem Motto: Ach, wenn er nicht zurücktauschen will, dann eben nicht. Das kannst du vergessen. Ich werde immer in deiner Nähe sein. Immer!
– Nicht die nächsten vier Wochen.
– Aber sobald du wieder hier bist.
– Das ist Stalking.
– Na und.
– Du hast doch mitgekriegt, wie die Bullen auf mich reagieren. Sie glauben dir kein Wort, und ich blinzele sie mit großen Augen an. Oh, das arme Mädchen wird von dem Schleimbeutel verfolgt.
– Du fliegst auf. Du weißt nichts über meine Vergangenheit, nichts über mich. Jemand wird das merken.
– Und wennschon. Bis dahin genieße ich das Leben.
– Man wird dir Fragen stellen. Mutti wird dich zu Psychologen schleppen.
– Aber sie werden nichts herausfinden, höchstens, dass ich ein wenig vergesslich bin.
– Vergesslich? Du kennst keinen Geburtstag, kannst dich an keinen Ausflug, an keinen Urlaub erinnern …
– Aber an meinen Termin gleich hier. Ich …
Er bricht seinen Satz ab und beugt sich vor, sodass sein Gesicht von der Kameralinse verzerrt wird.
– Sag mal, hast du mein Zimmer aufgeräumt?
– Ja.
– Du bist
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