Verlangen
beizuwohnen. Wir treffen uns jeden Montagnachmittag bei uns zu Hause. Es freut mich, sagen zu können, daß immer eine recht große Schar von Interessenten anwesend ist.« Plötzlich errötete die gute Frau und begann zu stottern. »Natürlich sind unsere Versammlungen für Sie wahrscheinlich nicht von besonderem Interesse. Ich bin sicher, daß Sie uns weit voraus sind, da Sie ja den Vorteil hatten, in der Stadt zu leben.«
»Keineswegs. Die Aussicht, Ihrer nächsten Versammlung beizuwohnen, entzückt mich. Ich freue mich darauf.«
Mrs. Worths Lächeln kehrte zurück. »Wie freundlich. Ich kann es kaum erwarten, meinen Freundinnen davon zu berichten.«
»Sie sagten, Sie züchten Rosen, Mrs. Worth?«
Mrs. Worth strahlte und sagte schüchtern: »Ich fürchte, sie sind meine Leidenschaft.«
»Ich würde liebend gern ein paar Pläne für die Gärten hier auf Stonevale mit Ihnen besprechen. Ich kann nicht ohne einen richtigen Garten leben, und Lucas ist viel zu beschäftigt mit den Ländereien, um mir behilflich zu sein. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit mir die Örtlichkeiten zu besichtigen?«
»Es würde mich freuen.«
»Hervorragend. Und wo wir gerade dabei sind, können wir auch noch über die dringendsten Bedürfnisse der Dorfbewohner sprechen. Um die Wahrheit zu sagen, liegen mir die Wohlfahrtsangelegenheiten wesentlich mehr am Herzen als die Gärten.«
Die Frau des Pfarrers lächelte zustimmend. »Ich weiß, weshalb die Dorfbewohner glauben möchten, daß ihre Bernsteinlady zurückgekehrt ist.«
Victoria lachte. »Ich nehme an, sie beziehen sich auf meine Vorliebe für bestimmte Kleiderfarben. Reiner Zufall, versichere ich Ihnen.« Mit einem bitteren Lächeln blickte sie hinab auf ihr gelbweißes Kleid.
Es überraschte Mrs. Worth und machte sie verlegen, daß ihre Gastgeberin dachte, sie habe eine solch persönliche Bemerkung gemacht. »O nein, Madam. Ich habe nicht Ihr hübsches Kleid gemeint, obgleich ich zugeben muß, daß Ihnen die Farbe hervorragend steht, und daß sie einen gewissen Bernsteineffekt erzielt. Nein, ich habe mich auf die Legende bezogen. Sie besagt, daß die Lady des Ritters sehr nett und freundlich war.«
Victoria rümpfte die Nase und grinste. »Dann kann ich nicht gemeint sein. Ich bin gewiß kein Ausbund an Tugend. Fragen Sie nur meinen Mann.«
Eine Woche später saß Victoria vor ihrem Ankleidespiegel. Als Nan ihr den Morgenmantel reichte, ertönte ein kurzes Klopfen, und Lucas öffnete die Verbindungstür zwischen ihren beiden Zimmern. Mit dem besitzergreifenden Ausdruck, den sie all-mählich von ihm erwartete, schlenderte Lucas in den Raum. Sie sah ihn im Spiegel an und nickte ihrer Zofe zu, die Lucas mit einem kleinen höflichen Knicks begrüßte.
»Du kannst jetzt gehen, Nan. Danke.«
»Ja, Ma’am. Soll ich ein Tablett mit Tee heraufschicken?«
Victoria sah im Spiegel Lucas’ amüsierten, sinnlichen Blick und schüttelte den Kopf. »Nein danke, Nan. Ich möchte heute abend keinen Tee.«
»Sehr gut, Ma’am. Gute Nacht.« Schnell verließ sie den Raum.
Lucas wartete, bis sich die Tür hinter der Zofe geschlossen hatte, und dann schritt er lässig drohend voran, bis er direkt hinter Victoria stand. Er beugte sich vor und pflanzte beide Hände auf den Ankleidetisch, so daß sie gefangen war. Seine Augen hielten ihren Blick im Spiegel fest.
Victoria konnte die Vorfreude nicht unterdrücken. Der Mann hatte eine verheerende Wirkung auf ihre Sinne. Und allmählich lernte sie auch ihre eigene Macht kennen, die sie über seinen Körper ausübte. Sie fragte sich, ob es immer so sein würde.
»Ich habe gesehen, daß heute ein Brief von deiner Tante angekommen ist.« Lucas küßte ihren Nacken. »Was schreibt Lady Nettleship denn so?«
»Daß wir den Skandal anscheinend recht unbeschadet überstehen werden.« Victoria lächelte wehmütig, als sie an den Inhalt des Briefes dachte. »Dank Jessica Atherton, die in Umlauf gebracht hat, daß unsere Heirat die große Romanze der Saison ist.«
»Die gute alte Jessica.« Lucas ließ seine Zunge über ihr Ohrläppchen gleiten.
Victoria erschauderte. »Ich schwöre dir, Lucas, ich hasse es, dieser Frau verpflichtet zu sein.«
»Mir mißfällt dieser Gedanke ebenfalls, aber als alter Soldat habe ich bereits vor langer Zeit gelernt, jede sich mir bietende Hilfe anzunehmen.«
»Offensichtlich, sonst befänden wir uns wohl kaum in der jetzigen Situation.«
»Wie scharfsinnig. Du kannst dir derartige Bemerkungen einfach nicht
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