Verlangen
zu glauben, daß Sie sich jemals auf irgendeinem Gebiet geschlagen geben, Stonevale.«
»Anscheinend kennst du mich inzwischen recht gut, Vicky.«
Die drei Briefe kamen an, als sie gerade das Frühstück beenden wollten. Auf einem der Briefe erkannte Victoria das Siegel ihrer | Tante, auf dem zweiten das von Annabella Lyndwood. Als erstes öffnete sie das Schreiben ihrer Freundin.
Liebste Vicky,
Du hast wahrlich für Aufregung gesorgt. Die ganze Gesellschaft amüsiert sich prächtig mit Mutmaßungen über die große Romanze des Jahres. Lady Hesterlys Tochter ging sogar so weit vorzuschlagen, ob nicht vielleicht Byron ein oder zwei Verse zur Feier des Ereignisses schreiben sollte. Dieser Vorschlag hat natürlich dazu geführt, daß Caro Lamb vor Wut beinahe geplatzt ist. Schließlich ist allgemein bekannt, daß es ihr äußerstes Mißfallen erregt, wenn jemand romantischer ist als sie.
Nun, auf jeden Fall verblaßt der ganze andere Klatsch neben den Gesprächen über Deine Hochzeit. Komm bald zurück, Vicky. Ich versichere Dir, man wird Dich wie eine Liebesgöttin aus einem der klassischen Mythen feiern. Und ich muß sagen, daß das Leben ohne Dich hier recht langweilig ist. Das einzig Aufregende ist, daß es mir gelungen ist, Bertie davon zu überzeugen, den Antrag von Vicomte Barton endgültig abzulehnen. Im Moment bläst er Trübsal (Lord Barton, nicht Bertie), aber er scheint sich allmählich wieder zu erholen und seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung zu lenken.
Ich umarme Dich,
Annabella.
»So viel zum armen Barton«, brummte Lucas. »Von Frauen vernichtet.«
»Tatsächlich«, stimmte Victoria vergnügt zu. Als nächstes öffnete sie den Brief ihrer Tante und überflog den Inhalt, bevor sie einen entsetzten Schrei ausstieß. »Gütiger Himmel, was für ein Unglück.«
Lucas sah von der Zeitung auf, die zusammen mit den Briefen angekommen war. »Was ist los?«
»Oje, es ist schrecklich. Eine Katastrophe.«
Lucas faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben seinen Teller. »Ist deiner Tante etwas passiert? Ist sie krank?«
»Nein, nein, nein, das ist es nicht. Die Katastrophe betrifft
uns. Oh, Lucas, was in aller Welt sollen wir bloß tun? Das ist entsetzlich.«
»Vielleicht könnte ich dir behilflich sein, wenn du mir erklären würdest, um was für eine entsetzliche Katastrophe es sich handelt.«
Victoria blickte auf und runzelte die Stirn. »Das ist nicht lustig, Lucas. Tante Cleo schreibt, daß Jessica Atherton sie besucht hat, um ihr den Vorschlag zu unterbreiten, daß wir doch noch vor Ende der Saison zurück nach London kommen sollten. Sie würde sich freundlicherweise bereiterklären, einen Empfang zu unseren Ehren zu geben.«
Lucas dachte nach und zuckte dann die Schultern. »Vielleicht hat sie recht. Es ist vielleicht gar keine schlechte Idee. So würde der Eindruck verstärkt, daß wir tatsächlich eine Liebesheirat eingegangen sind.«
Victoria war entsetzt. »Lucas, hast du mir überhaupt zugehört? Es ist Jessica Atherton, die für uns diesen Empfang veranstalten will.«
»Gäbe es jemand Besseres? Wie wir beide wissen, ist ihre gesellschaftliche Stellung unantastbar.«
Victoria starrte ihn empört an. »Hast du den Verstand verloren? Glaubst du ernsthaft, ich werde Jessica Atherton gestatten, uns derart zu helfen? Nicht in einer Million Jahre. Ich will dieser Frau nicht noch einmal zu Dank verpflichtet sein.«
Schweigen. »Noch einmal?« wiederholte Lucas schließlich. »Willst du damit zufällig sagen, daß du dich ihr bereits verpflichtet fühlst, weil sie uns einander vorgestellt und so die Weichen für unsere Eheschließung gestellt hat?«
»Wage es ja nicht, mich aufzuziehen, Lucas. Ich bin keineswegs in der Stimmung, mich noch ärgern zu lassen. Das ist entsetzlich. Was in aller Welt soll ich nur Tante Cleo sagen? Wie sollen wir aus dieser Sache nur herauskommen?«
»Ich kann nur raten«, sagte er, während er sich erhob, »daß wir das gar nicht erst versuchen. Deine Tante hat vollkommen recht. Es wäre klug, wenn wir vor Ende der Saison im Ballsaal einer ehrwürdigen Gastgeberin wie Jessica Atherton in Erscheinung träten. Es würde die gesellschaftliche Anerkennung deiner Heirat bedeuten.«
Victoria wollte ihren Ohren nicht trauen. »Niemals. Ich weigere mich strikt, so etwas in Betracht zu ziehen. In dieser Angelegenheit wirst weder du noch meine Tante meine Meinung ändern. Ich habe mehr als genug von Jessica Atherton und ihrer großzügigen, freundlichen
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