Verlangen
ebenfalls.«
»Das überrascht mich nicht. Ich bin sicher, daß Lucas auf ihre Einmischung hätte verzichten können. Die ganze Situation war nahezu katastrophal, aber ich sagte mir, daß es in deinem gesamten Bekanntenkreis nur einen Mann gab, der mit einer solch komplizierten Situation fertig würde, und daß du dich glücklicherweise in der Gesellschaft eben dieses Mannes befandest. Als ich deinen ersten Brief mit der Bitte um Pflanzen für seine Gärten erhielt, wußte ich, daß das Schlimmste überstanden war«, erläuterte Cleo.
»Es stimmt, Lucas und ich haben uns in gewisser Weise geeinigt.«
Cleo hob den Kopf. Ihre Augen lachten. »Geeinigt? So nennst du das? Du solltest dich sehen, wenn du irgendwo in seiner Nähe bist, meine Liebe. Du glühst. Ich nehme an, du fürchtest nicht länger, in die Fußstapfen deiner armen Mutter zu treten?«
Sorgfältig mischte Victoria Gelb mit einem Tropfen Blau, um genau den von ihr gewünschten Grünton zu erzielen. »Lucas ist nicht Samuel Whitlock.«
»Gütiger Himmel, das will ich meinen. Genau wie du nicht deiner Mutter, der seligen Caroline, ähnelst. Sie hat deinen Vater wirklich geliebt, mußt du wissen. Wenn er noch gelebt hätte, wäre alles ganz anders gekommen. Niemals wäre sie Whitlocks Charme erlegen. Aber nach dem Tod deines Vaters sehnte sie sich derart nach Liebe, daß sie nur allzu bereit war, der Illusion zu erliegen, die Whitlock ihr bot.«
»Ich glaube, Liebe ist etwas Gefährliches, genau wie Elektrizität. Ich denke, es ist besser, eine solide, funktionierende Partnerschaft mit einem Mann einzugehen. Das ist es, was ich mit Lucas versuche, weißt du? Und wir machen durchaus Fortschritte.«
»Bitte? Stonevale und du seid Partner?«
»Das ist doch nur natürlich angesichts der Umstände, unter denen wir geheiratet haben. Du kannst ja wohl nicht leugnen, daß die Güter von Stonevale ein hervorragendes Investitionsobjekt sind. Es ist gutes Land.«
»Ich verstehe.« Cleo blickte verwirrt. »Höchst interessant.«
»Das Arrangement funktioniert größtenteils recht gut, obgleich Lucas die bedauerliche Eigenschaft besitzt, Befehle zu erteilen, wenn er sein Ziel nicht mit Vernunft und Logik erreicht.«
»Vicky, meine Liebe, das ist wirklich interessant. Stonevale beugt sich deiner Vorstellung von eurer Ehe als Geschäftsbeziehung?«
»Im großen und ganzen ja. In bestimmten Bereichen jedoch treffe ich auf Widerstand.«
Cleo riß die Augen auf. »Das kann ich mir vorstellen. In welchen Bereichen?«
»Er redet sich nach wie vor ein, ich würde ihn lieben, und er läßt keine Gelegenheit aus, mich zu drängen, ihm meine Gefühle zu gestehen.«
Heftig stellte Cleo die Gießkanne ab. Sie starrte ihre Nichte an. »Du liebst ihn nicht? Vicky, von Anfang an habe ich angenommen, daß du dich in dieser Angelegenheit einzig von deinem Gefühl leiten ließest. Andernfalls hätte ich niemals darauf bestanden, daß -«
»Natürlich liebe ich ihn. Ich wäre in jener Nacht niemals mit ihm in dieses Gasthaus gefahren, wenn ich ihn nicht lieben würde. Aber ich werde ihm nicht die Genugtuung geben, meine Gefühle offen zuzugeben«, erläuterte Victoria.
»Weshalb nicht?«
Victoria sah von ihrem Gemälde auf. »Ganz einfach, weil er mich offensichtlich nicht liebt.«
»Gütiger Himmel, Vicky, bist du dir da sicher? Er scheint dich außerordentlich zu mögen.«
»Er mag mich. Das ist einer der Gründe, weshalb diese Ehe funktioniert. Aber er meint, er könne sich nicht erlauben, mich zu lieben, weil ich dieses Wissen rücksichtslos ausnutzen würde. Er hält mich für eine regelrechte Xanthippe, weißt du? Allzu unabhängig und dickköpfig. Man reiche mir den kleinen Finger, und ich nehme die ganze Hand.«
»Vielleicht ist er sich deiner lediglich nicht sicher, und er kann deshalb seine Liebe nicht eingestehen, bevor er nicht weiß, daß du ihn liebst«, schlug Cleo vor.
»Weshalb sollte er sich meiner nicht sicher sein? Schließlich ist der Mann mit mir verheiratet.«
»Was bedeutet das schon? Wie viele verheiratete Frauen in deinem Bekanntenkreis sind bis über beide Ohren in ihre Ehemänner verliebt? Wie du wohl weißt, hat mehr als eine inzwischen eine heimliche Affäre. Und Frauen wie Jessica Atherton, die wahrscheinlich niemals ein Verhältnis anfangen würden, sind Beispiele an weiblicher Pflichterfüllung, nicht weiblicher Liebe. Der Gedanke, aus Pflichtgefühl heraus geheiratet worden zu sein, behagt einem Mann gewiß auch nicht
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