Verlangen
unbedingt.«
»Weshalb sollte er auch? Lucas hatte offensichtlich auch keine Skrupel, mich aus Pflichtgefühl heraus zu ehelichen. Es war von Anfang an sein Ziel, Stonevale zu retten, und nicht, tiefe und bedingungslose Liebe zu finden.« Heftig fuhr Victoria mit dem Pinsel über das Papier, und es gab einen langen grünen Streifen.
»Daß ein Mann gezwungen ist, aufgrund seiner Verantwortung gegenüber einem Titel oder Ähnlichem zu heiraten, heißt noch lange nicht, daß er nicht auch geliebt werden möchte. Lucas sagte mir am Morgen eurer Hochzeit, daß er sich wirklich wünschte, die Dinge hätten sich anders entwickelt. Er weiß, daß er wegen des Debakels in dem Gasthaus keine Möglichkeit mehr hatte, sein Werben um dich zu einem ordentlichen Abschluß zu bringen.«
»Nun, zu einem Abschluß hat er es zumindest gebracht. Falls du dich daran erinnerst, hatte er sogar eine Sonderheiratserlaubnis dabei.« Der zweite grüne Streifen verunzierte das Blatt.
»Meiner Meinung nach ist er sich der Tatsache, daß er keine Möglichkeit hatte, deine Liebe zu gewinnen, nur allzu deutlich bewußt. Du hast ihn nicht gänzlich aus freien Stücken heraus geheiratet, und das weiß er. Später, als du herausfandest, daß er dich anfangs umworben hatte, weil du eine reiche Erbin bist, wurde seine Position noch schwächer. Wie soll er sich deiner da so sicher sein, wenn du ihm deine Liebe noch nicht einmal eingestehst?«
Victoria sah auf. Sie fühlte sich unter Druck gesetzt. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Tante Cleo?«
Cleo seufzte. »Ich möchte nur, daß du glücklich bist, Vicky.«
»Du denkst also, ich wäre glücklich, wenn ich mich meinem Mann einfach völlig unterwerfen würde?«
»Unterwerfen? Was für ein schrecklicher Ausdruck.«
»Es ist der Ausdruck, den er verwendet«, murmelte Victoria. »Es sei denn, er versucht, eine schmeichelhaftere Umschreibung wie >Waffenstillstand< zu finden.«
»Tatsächlich? Ich nehme an, das liegt daran, daß er so lange beim Militär war und anschließend so viel Zeit an den Spieltischen verbracht hat. Soldaten und Spieler haben eine ähnliche Ausdrucksweise, mußt du wissen. Sie denken immer in Begriffen wie Strategie, Gewinnen oder Verlieren. Es gibt kaum eine goldene Mitte für sie.«
»Ja, das habe ich bereits festgestellt.«
»Frauen hingegen können flexibler denken«, fuhr Cleo fort.
»Was zweifelsohne im Umgang mit Männern eine Schwäche ist. Es gibt ihnen die Möglichkeit, ihre eigene Unbeweglichkeit zu kultivieren. Nein, ich bin mit einem Mann verheiratet, der ein Soldatenhirn hat, und entweder muß ich ihm seine Denkweise abgewöhnen oder ich muß ihn lehren, sich mit der Partnerschaft, die wir aufgebaut haben, zufriedenzugeben. Auf keinen Fall werde ich alles aufs Spiel setzen, indem ich mich ihm unterwerfe, so wie er es sich vorstellt.«
Einen Augenblick lang betrachtete Cleo sie nachdenklich. »Was genau würdest du denn aufs Spiel setzen?«
»Meinen Stolz zum Beispiel.«
»Ist der dir so wichtig?«
»Natürlich.«
»Nun, er ist dein Ehemann, meine Liebe. Du mußt so mit ihm umgehen, wie du es für richtig hältst.«
Victoria war erleichtert, dieses Thema beendet zu haben und sie beeilte sich, von etwas anderem zu sprechen. »Hättest du vielleicht Lust, heute mit mir einkaufen zu gehen? Ich will noch ein paar Bücher über Gartenbau kaufen, um sie mit nach Yorkshire zu nehmen.«
»Es wäre mir ein Vergnügen. Willst du sie für die Bibliothek auf Stonevale haben?«
»Ein paar der Bücher sollen für die Bibliothek sein, aber der Großteil ist ein Geschenk für den Dorfpfarrer und seine Frau. Sie haben uns sehr geholfen. Außerdem schreibt der Pfarrer an einem Buch über Gartenbau.« Victoria zögerte und fügte dann schnell hinzu: »Und ich male die Bilder dafür.«
Cleo strahlte. »Vicky, das ist fantastisch. Endlich werden deine wunderbaren Pflanzenzeichnungen veröffentlicht. Wie mich das freut. Wie ist es dazu gekommen?«
»Lucas hat das arrangiert«, gab Victoria leise zu.
Cleos Blick wurde eindringlich. »Wie hat er das gemacht?«
Victoria errötete. »Er zeigte dem Pfarrer eins meiner Bilder, und der fragte sofort, ob die Künstlerin vielleicht Interesse daran hätte, die Bilder für sein Buch zu malen. Lucas schwört, daß er dem Pfarrer nicht erzählt hat, wer das Bild gemacht hat, bis dieser ihn von sich aus angesprochen hat. Der Pfarrer scheint sich ehrlich darüber zu freuen, daß ich die Zeichnungen mache. Ich muß zugeben,
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