Verletzlich
Wasserquelle scheint im Bunker zu sein«, sagte Sagan, als wir gemeinsam vom Turm kletterten. »Wir brauchen kilometerweise Schlauch«, stellte er seufzend fest. »Dazu extrem belastbare Verlängerungskabel, eine vernünftige Stromversorgung, was noch?«
»Kann ich alles morgen besorgen«, sagte ich augenzwinkernd.
»Auf keinen Fall. Du stiehlst nichts mehr«, widersprach Sagan. »Das werden wir hier schon auftreiben; Verlängerungskabel kann ich von zu Hause mitbringen.«
Wir beschlossen die Arbeit für den Tag zu beenden und etwas zu essen.
Ein wenig später saßen wir vor dem Solarobservatorium und aßen mexikanisches Fast Food. Es war fast Vollmond.
Sagan hatte sich mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. »Du glaubst also, dass ich dich das allein machen lasse?«
»Das musst du«, antwortete ich.
»Auf keinen Fall. Du musst mir versprechen, dass du dir von mir helfen lässt, sonst lasse ich die ganze Sache platzen.«
»Das Thema hatten wir doch schon mehrmals. Du läufst in den sicheren Tod. Und ich müsste … dir beim Sterben zuschauen. Genau so jemanden würde Moreau wollen. Jemanden, der hilflos …«
»He, ich bin nicht hilflos. Es gibt andere Wege, um dieses … Ding … zu bekämpfen, ohne dass es die Oberhand bekommt.«
»Wie denn?«
»Durch Intelligenz. Du hast gesagt, mit einer Bazooka kann man ihn nicht aufhalten. Was nur bedeutet, dass man ihn auf herkömmliche Weise nicht besiegen kann. Dafür braucht man etwas ganz anderes als eine Bazooka.«
»Eine Kettensäge zum Beispiel.«
»Emma, ich meine es ernst.«
»Glaubst du, ich nicht?«
»Auch du rennst in den sicheren Tod, wenn du versuchst ihn im Nahkampf zu besiegen«, wetterte Sagan.
»Vielen Dank für den Vertrauensbeweis.«
»Nein, ich will dich nicht beleidigen. Ich sage nur, dass du ihm zu viele Möglichkeiten bietest, wenn du es so machst. Selbst wenn du Vampirkräfte hast, ist er größer und erfahrener. Ein Lapsus und schon hat er dich.«
»Was schlägst du also vor?«
»Schlauer zu sein als er und damit deine Chancen zu erhöhen. Verlass dich nicht nur auf rohe Gewalt.«
Ich lächelte ihn an.
»Hör auf zu lächeln«, sagte er.
»Ich mache mich nicht lustig über dich.«
»Aber warum lächelst du dann?«
Ich suchte nach den richtigen Worten. »Das ist … schwer zu erklären. Und … um ehrlich zu sein, ist mir eher nach Weinen zumute. Aber ich habe genug geheult.«
»Warum denn Heulen?«
»Weil … weil du dich um mich kümmerst. So gut. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber es ist, als würde ich zu dir gehören, weißt du? Nicht diese Kontrollmanie, aber … ach, Sagan, ich rede Unsinn.« Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Augenwinkel. »Es ist, als wäre ich dir wichtig …«
»Na ja natürlich, du … Wahnsinnige.« Das sagte er so sanft, dass es nicht wehtat, sondern mir vor Rührung das Herz aufging. Er strich mir über den Arm. Fast wäre ich dahingeschmolzen. Dann räusperte ich mich blinzelnd.
»Okay, du hast gesagt, du willst diesen Kerl bekämpfen«, sagte ich mit fester Stimme. »Ohne selbst dabei draufzugehen. Aber wie willst du das machen? Sagan, ich sage dir, du hättest keine Chance …«
»Sag das mal meinen W.O.W.-Freunden«, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
»Was ist das denn?«
»World of Warcraft. Mir ist egal, wer du bist. Mir ist egal, was für Kräfte du hast. Wenn du auf mich losgehst, dann solltest du es besser können. Ich nehm dir nämlich die Butter vom Brot.«
Am liebsten hätte ich gelacht, weil es so lächerlich klang, doch sein Blick ließ mich innehalten. Er meinte es ernst.
»Aber dies ist kein Spiel«, gab ich zu bedenken.
»Alles ist ein Spiel«, erwiderte Sagan. »Wenn man es genau betrachtet. Letztendlich ist das ganze Leben eine Art Strategie. Wenn du eine bessere Strategie hast als dein Gegner, geht er unter.«
Ich merkte, wie stolz ich auf ihn war. »Und wie kommst du darauf, dass du schlauer bist als er?«, fragte ich leise.
»Glaub mir, Emma. Der wird sich noch wundern.«
Eine Weile war ich sprachlos. Die Stimme versagte mir, denn mein Herz war kurz davor zu zerspringen und ich wollte, dass es sprang.
Ich setzte ihn in den Jeep und verabschiedete ihn mit einem langen Kuss. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt und ich wollte, dass es so blieb. Zeit für ein kleines Geständnis.
»Er heißt Moreau«, erzählte ich den drei Vampiren.
Wir spazierten zwischen hohen Laubbäumen in der Nähe
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