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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Raum.
    Manda schrie noch immer vor der Zimmertür. Mit Mühe hielt meine Mutter die Tür zu, damit meiner kleinen Schwester dieser Anblick erspart blieb. Damit sie nicht sah, was aus mir geworden war .
    Ich musste etwas unternehmen. Es kam auf jede Sekunde an. Er will mich .
    Moreau suchte nach mir und ich führte ihn direkt zu ihnen. Wenn ich länger bliebe, würde der Vampir zurückkehren … und Manda in den Händen halten, den Mund auf ihre Kehle legen. Und wenn sie ihr Leben aushauchte und er trunken wäre von ihrem Blut, wenn er sich an dem Blut meiner kleinen Schwester gesättigt hatte, würde er sie fortwerfen wie eine alte Puppe. Und ich wäre schuld .
    Ich bin das Monster .
    Ich musste ihn fortlocken. Sofort. Ich drehte mich um und griff nach dem Nächstbesten, was mir in die Hände fiel – meine Sonnenbrille, die auf dem Nachttisch lag. Damit hastete ich durch den Raum und warf mich mit der Schulter gegen das Fenster. Ich spürte, wie ich durch die Scheibe flog, die durch die Kraft meines Körpers zerbarst.
    Bis zum Boden waren es fast sechs Meter. Als ich im Gras landete, regnete es Scherben. Ich schüttelte das Glas aus meinem Haar und rannte. Ich hatte keinerlei Plan, außer zu rennen, einfach zu rennen – so weit und so schnell wie möglich. Fort, bevor Moreau meine Mutter und Manda in seine Gewalt bringen konnte. Den Vampir fortlocken .
    Ich rannte die kleine Seitenstraße, in der wir wohnten, hinab und überquerte dann eine vierspurige Straße, ohne auf den Verkehr zu achten.
    Barfuß und im Schlafanzug lief ich durch einen Baumgürtel auf ein Feld. Ein weiterer Baumgürtel folgte und noch ein Feld, an das ein Weg grenzte. Ich wurde immer schneller. Kraftwerk. Schotter. Fahrbahn, Blätter, Wälder. Ich lief an Hügeln, Felsen, Zäunen und Mauern vorbei. Ich ließ einen Kilometer Landschaft nach dem anderen hinter mir, bis ich keine Ahnung mehr hatte, wo ich mich befand oder wie weit ich gelaufen war.
    Schließlich gelangte ich an einen breiten Fluss. Auf dem Wasser war ein Boot zu sehen, das sich für meine Augen kaum zu bewegen schien. Mit einem Riesensatz sprang ich in die Strömung und kraulte zu dem Boot. Wellen bildeten sich in meinem Kielwasser.
    Ich griff nach dem Dollbord des alten Holzboots und hievte mich hinauf, nur um an den Köpfen von zwei Männern vorbeizusegeln, die an Deck rauchten – der Geruch des Zigarettenqualms drang mir in die Nase und ein winziger Fetzen ihres Gesprächs in meine Ohren: »So angelt man sich die Mädels.« Im nächsten Moment stürzte ich auf der anderen Seite auch schon wieder ins Wasser und schwamm weiter.
    Am gegenüberliegenden Ufer kämpfte ich mich durch Gestrüpp die Uferböschung hinauf und startete in den nächsten Wald. Wassertropfen aus meinem Haar glitzerten hinter mir in der Luft. Nachdem ich noch ein Feld überquert hatte, stand ich plötzlich vor einem Zaun. Er war doppelt so hoch wie ich und oben mit Stacheldraht versehen. Auf einem großen weißen Schild stand:
    EIGENTUM DER US - ARMY
BETRETEN VERBOTEN
TESTGELÄNDE
    Ich nahm zwei Schritte Anlauf und übersprang den Zaun. Auf der anderen Seite lief ich sofort weiter – über ein Feld nach dem anderen. Dann folgte nur noch dichter Wald. Schließlich gelangte ich zu einem Hang, an dessen Fuß ein Feldweg verlief. Außerdem sah ich dort eine Entwässerungsanlage mit einer offenen Betonröhre.
    Ich warf mich in die Betonröhre, blieb still liegen und lauschte in die Nacht um mich herum. Sie war laut. Insekten surrten, schwirrten und summten. Ich hörte den Wind in den Bäumen. Zweige, die raschelten, weil sich etwas Lebendiges über sie hinwegbewegte.
    Ich zog die Beine an und machte mich so klein wie möglich. Den Kopf nahm ich in die Hände.
    War ich weit genug entfernt? Ich konnte mir gut vorstellen, wie der Vampir dort draußen im Dunkeln lauerte. Wie er mich aufspürte. Sich die Lippen leckte, auf sie biss. Wenn er mich hier fand …
    Ich wartete und war mir sicher, dass Moreaus entsetzliches Gesicht jeden Moment über dem Rand der Röhre auftauchen würde.
    Irgendwann beruhigte sich mein Herzschlag wieder. Ich konnte kaum glauben, was ich gerade getan hatte. Ich lag auf dem rauen Beton, lauschte und hielt Ausschau. Meine Kleidung war noch nass vom Schwimmen. Tropfen aus meinem Haar liefen mir in die Augen und von dort in den Kragen meines Schlafanzugs. Ich war an ein Zuhause und ein warmes Bett gewöhnt und fühlte mich hundeelend.
    Während die Stunden im Schneckentempo vergingen,

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