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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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bequem.
    »Darf ich … darf ich wiederkommen? Können wir uns wiedersehen?«, fragte ich noch.
    Lächelnd hob sie die smaragdgrünen Augen von ihrem Buch. »Das musst du selbst entscheiden. Aber ich hoffe es sehr! Für uns ist es … sehr lange her gewesen.«
    »Ich habe auch noch so viele Fragen«, sagte ich. »Über den Krieg und darüber, wie ihr lebt und was ihr die ganze Zeit gemacht habt.« Oh ja. Das liegt mir besonders am Herzen.
    »Dann bin ich guter Dinge, dass du zu uns stoßen wirst«, sagte Lena und wandte sich wieder ihrem Buch zu.
    Zu uns stoßen? Um mit ihnen zu leben? Dann verstand ich.
    Sie wollte, dass ich mich den soleils anschließe.

16
    Eruption
    Auf dem Rückweg rasten meine Gedanken fast so schnell wie meine Beine. Vor allem überlegte ich, wie Sagan meine neuen Freunde kennenlernen könnte. Auch wenn es komplett verrückt war. Hallo, das ist Sagan, bitte fallt nicht über ihn her . Ich musste lachen. Er wusste nicht einmal, was mit mir los war. Und ich fragte mich, wie die soleils wohl reagieren würden? Konnten Vampire überhaupt mit jemandem befreundet sein, der einen potenziellen Mitternachtsimbiss für sie darstellte? Mit jemand … Normalem?
    Donne würde das nicht gern hören. Ich war ja selbst auch nicht normal. Als ich daran dachte, wie sie leben mussten, überkam mich eine Traurigkeit. Wie Tiere. Wie Insekten, die in der Nacht ausschwirrten, um Blut zu saugen. Und wie konnten sie in diesem schmuddeligen Raum leben?
    Ich sauste um eine enge, steile Kurve und zerbrach mir den Kopf über eine Lösung, als ich plötzlich eine Idee hatte. Vielleicht könnte Sagan den soleils bei der Suche nach einem besseren Zuhause helfen? Irgendwo auf dem Areal des Raumfahrtzentrums! Damit könnten wir ihr Vertrauen erobern und sie besser kennenlernen. Dann …
    Um Gottes willen.
    Ich konnte nicht sehen, dass etwas auf der Straße war, weil die lange Kurve zwischen den Bäumen verschwand. Auf einer Spur stand ein Streifenwagen mit wild blinkendem Blaulicht. Weiter unten parkte ein weiteres Polizeiauto. Dem kleinen grünen Honda dazwischen fehlte vorn ein großes Stück. Ein junger Typ in T-Shirt und Shorts saß mit dem Kopf zwischen den Knien am Straßenrand.
    Ich sage, dass ich es nicht sehen konnte, doch plötzlich sah ich es – jedes Detail, den Bruchteil einer Sekunde, bevor ich gegen das erste Auto prallte.
    Tssst! Tssst!
    Noch bevor ich die Augen öffnete, spürte ich die Schmerzen. Irgendwo ganz in der Nähe hörte ich ein seltsames Zischen. Ich lag auf etwas Hartem, so viel stand fest. Aber wo?
    Über mir lag eine kratzige Decke, die bis zu meinen Schultern hochgezogen war. Unter meinem Kopf befand sich etwas Klumpiges. Schließlich gelang es mir, mich ein wenig zu drehen, und mir blieb fast das Herz stehen: Ich lag auf dem Asphalt, nicht allzu weit von dem oberen Polizeiauto entfernt. An der Fahrertür waren deutlich Dellen und Kratzer zu sehen und der Wagen schien mindestens einen Meter auf der Straße gerutscht zu sein. Zumindest stand er noch auf allen vier Rädern. Im letzten Moment mussten meine Vampirreflexe gewirkt haben – so schnell, wie ich unterwegs gewesen war, war es ein Wunder, dass ich ihn nicht umgekippt hatte.
    Ich konnte die Beine von Leuten sehen, die kamen und gingen, und hörte in der Ferne ein Martinshorn. Abgehackte Stimmen aus Funkgeräten drangen an mein Ohr.
    Tssst! »Monte Sano Boulevard.« Tssst! »Zwei Fahrzeuge. »Krankenwagen ist unterwegs.« Tssst! Tssst!
    Ein Polizist saß vornübergebeugt auf dem Vordersitz des Wagens, den ich gerammt hatte. Seine Arme bewegten sich. Wahrscheinlich schrieb er etwas auf einem dieser Klemmbretter. Sein konzentriertes Gesicht konnte ich genau erkennen, da er den Kopf leicht geneigt hielt. Über ihm blinkte das blaue Licht.
    Ich tastete meinen Körper unter der Decke ab. Offenbar war alles heil geblieben. Nur im rechten Ellbogen spürte ich ein Stechen. Anscheinend hatte ich im letzten Moment meinen Unterarm hochgenommen, um mich vor dem Zusammenprall zu schützen. Ich versuchte mich aufzusetzen, sank aber sofort wieder zurück. Mein Kopf fühlte sich an, als würde ein öliger Klumpen Pizzateig in einer Keramikschüssel hin und her rollen.
    Okay, leg dich einen Moment hin, dann wird sich dein Schädel schon beruhigen , sagte ich mir.
    Ich starrte auf das Blaulicht, das unruhige blaue Blinken, das sich bewegte wie Finger auf Klaviertasten. Es war so intensiv, dass es mir gegen die Rückseite meiner Augäpfel drückte.

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