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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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das Erdbeerbeet, die Johannisbeersträucher, die Hecken, die das Grundstück vor neugierigen Blicken schützen. Er will sich gerade umdrehen, als sein Blick an etwas Weißem hängen bleibt, das unter einem Kirschbaum aus dem Boden ragt.
    »Habt ihr da einen Hamster begraben?«, fragt er und zeigt auf ein kleines, selbst gezimmertes Kreuz. Der Junge folgt Hennings Finger mit dem Blick. »Nein«, antwortet der Junge kurz angebunden und harkt weiter.
    »Da liegt unser Hund.«
    Die zaghafte Stimme lässt Henning zusammenzucken. Er fährt herum. Vor ihm steht ein Mädchen von vielleicht acht Jahren.
    »Wir durften ihn hier beerdigen«, sagt sie.
    »Aha.« Henning schaut zwischen den Kindern hin und her. Der Junge kratzt energisch mit der Harke über den Rasen.
    »Eines Tages hat er tot auf unserer Verandatreppe gelegen«, erzählt das Mädchen weiter.
    Ihr Bruder sieht sie an, und Henning kann sich die Frage nicht verkneifen: »Auf der Treppe, sagst du?«
    »Ja. Er hat geblutet.«
    »Ylva!«, sagt der Bruder.
    »Hat er doch!«
    Der Junge harkt weiter. Henning steht reglos da und wartet.
    »Hier«, sagt Ylva und zeigt auf die Unterseite ihres Kinns. »Das weiß ich genau, ich habe ihn nämlich gefunden.«
    »Es reicht, Ylva.«
    »Papa hat uns keinen neuen Hund gekauft«, redet sie weiter. Sie ist den Tränen nah. »Ich will aber einen neuen Hund.«
    Henning versucht, seine Gedanken zu sortieren. Er weiß, was er am liebsten fragen würde, aber das braucht er wahrscheinlich gar nicht zu tun. Daher sagt er nur: »Okay, ich komme dann ein andermal wieder, wenn euer Vater zu Hause ist.«
    Keines der Kinder antwortet ihm. Ylva nimmt ihr Springseil und hüpft an ihm vorbei, als wäre das, was sie gerade erzählt hat, nie geäußert worden.
    Henning sieht ihr nach. Dann wandert sein Blick zurück zu dem weißen Kreuz, das aus der tiefer werdenden Dämmerung herausstrahlt.
    65
    Bjarne starrt auf die Notizen vor sich, Stichworte der Verhöre der letzten Stunden. Funde, Fakten.
    Irgendwie bringt er die Dinge nicht zusammen.
    Gjerløws Eltern standen unter Schock. Obwohl sie nur noch sporadisch Kontakt zu ihrem Sohn hatten, begreifen sie nicht, was mit ihm geschehen sein mag. Sie sind der Überzeugung, ihm eine gute christliche Erziehung mit auf den Weg gegeben zu haben. Und sie wissen auch nichts von irgendwelchen traumatischen Erlebnissen in Bezug auf Erna Pedersen oder Johanne Klingenberg. Die Namen sagen ihnen etwas, ohne dass sie sie einer Person zuordnen können. Und auch wenn die wenigsten Kinder ihren Eltern alles erzählen, was in der Schule passiert, hätte sie doch gemerkt, wenn etwas schiefgelaufen wäre, hat Gjerløws Mutter beteuert. Markus war beliebt, er hatte viele Freunde, war gut im Fußball, stand im Tor und war sogar mehrmals in die Kreisauswahl eingeladen. Er war nett und freundlich. Über die Jahre hatte er auch ein paar Freundinnen, auch wenn bei ihm als Erwachsener sicher nicht alles so gut gelaufen ist, weder im Job noch auf der Beziehungsebene. Die Gjerløws haben eingeräumt, dass ihn das gequält habe, aber doch nicht so sehr, dass er deshalb Leute umbringen würde, die er vor zwanzig Jahren einmal gekannt hat. Und für Fotografie habe er sich auch nie interessiert.
    Bjarne hat noch nicht herausgefunden, welche Rolle Emilie Blomviks Sohn in dem Ganzen spielt. Warum Gjerløw eine solche Wut auf ihn hat. Sie habe seit Jahren nicht mehr mit Markus gesprochen, sagte Emilie auf Bjarnes Nachfrage. Und warum reagierte er jetzt erst und nicht schon bei der Geburt des Jungen?
    Etwas anderes muss das alles in Gang gesetzt haben, denkt Bjarne und lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück, erkennt im selben Moment aber auch, dass es schwierig sein wird, jemals eine Antwort auf die Frage zu erhalten, warum Markus Gjerløw zu der Person wurde, die er am Ende war.
    Bjarne sieht auf die Uhr. Es ist lange her, dass er rechtzeitig zum Abendessen zu Hause bei Anita und Alisha war. Lange her, dass er mit ihnen über ganz alltägliche Dinge geredet hat.
    Er hat den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als es an seiner Tür klopft. Pia Nøkleby steckt den Kopf herein.
    »Hallo«, sagt sie. »Bist du beschäftigt?«
    »Nicht mehr als sonst«, antwortet er. »Komm rein.«
    Bjarne kann sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt in sein Büro gekommen ist. Normalerweise ist es umgekehrt.
    Nøkleby setzt sich auf den Stuhl an der Wand und schlägt die Beine übereinander. Dann schiebt sie ihre Finger ineinander.
    »Du kennst

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