Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
doch Henning Juul, nicht wahr?«
Bjarne antwortet mit einem langsamen Nicken.
»Ich hatte heute ein Gespräch mit ihm«, fährt Nøkleby fort. »Er hat mir eine Frage gestellt, über die ich lange nachgedacht habe. Er wollte von mir wissen, ob ein Außenstehender sich in Indicia einloggen könnte, wenn er einen Nutzernamen und ein Passwort hätte. Ich habe nicht verstanden, warum er mich das gefragt hat.«
»Und du hast nicht nachgefragt?«
»Schon, aber …« Nøkleby fährt sich mit der Zunge über die Oberlippe. »Ich kenne Henning inzwischen ja auch ein bisschen. Er hätte mir diese Frage niemals ohne guten Grund gestellt. Und da bin ich neugierig geworden. Ich habe mich eingeloggt und mir meine eigene History angeschaut, und dabei habe ich etwas gefunden, das mir wirklich Sorgen macht. Ich bin auf Suchoperationen gestoßen, von denen ich zu hundert Prozent sicher bin, dass ich sie nicht selber durchgeführt habe.«
»Dann hat also jemand deine Zugangsdaten und benutzt sie von extern?«
»Sieht so aus, ja. Ich weiß nur nicht, was schlimmer ist: dass das passiert ist oder dass Henning davon weiß. Und ich überlege gerade, ob es klug wäre, ihn unter Druck zu setzen. Er ist schließlich Journalist und wird die Quellen, durch die er zu diesem Wissen gelangt ist, niemals preisgeben. Eher würde er ins Gefängnis gehen.«
Es dämmert Bjarne, worauf sie hinauswill. »Du denkst, dass ich …«
Er sieht an ihrer Reaktion, dass er ins Schwarze getroffen hat.
»Das ist ein Sicherheitsrisiko, Bjarne. Ich habe meine Zugangsdaten natürlich sofort geändert, aber in der Praxis heißt das, dass da draußen womöglich jemand Zugang zu extrem wertvollen Ermittlungsergebnissen hatte. Wie wir damit umgehen sollen, weiß ich im Moment noch nicht. Wir können damit nicht an die Öffentlichkeit gehen, das würde einen Riesenaufschrei geben. Und das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass Henning darüber schreibt.«
Bjarne nickt nachdenklich. »Ich weiß nicht, wie viel ich aus ihm herausbringe oder ob ich ihn davon abbringen kann, darüber …«
»Ich habe einen Vorschlag. Dafür müsstest du mir aber versprechen, dass du Stillschweigen bewahrst.«
Ihre Stimme ist mit einem Mal tiefer.
Bjarne spitzt die Ohren und beugt sich ein wenig vor.
»Henning ist ein schlaues Köpfchen. Und ich frage mich, ob wir nicht … von ihm profitieren könnten.«
Bjarne merkt, wie schwer es ihr fällt zu sagen, was sie sagen will.
»Spiel ein bisschen mit seinem Ego«, fährt sie fort. »Lass ihn ein Stück weit an unserer Arbeit teilhaben – off the record , natürlich –, und stell unmissverständlich klar, dass du ihm einen Gefallen tust und nicht umgekehrt. Gib ihm das Gefühl, dass er in derselben Mannschaft spielt wie wir. Ich will nicht schönreden, was passiert ist, aber ich glaube nicht, dass Henning es darauf anlegt, uns eins auszuwischen. Bis jetzt war das jedenfalls nie seine Absicht.«
»Er wird mich durchschauen«, entgegnet Bjarne.
»Vielleicht. Aber der Versuch ist es wert. Wir müssen das Feuer löschen, und ich habe keine Lust, dafür die Feuerwehr zu rufen. Das würde nur eine Wahnsinnsunruhe erzeugen.«
Bjarnes Schultern spannen sich an. Eine Ader pocht an seiner Schläfe. »Ich kann es versuchen«, sagt er und gibt sich alle Mühe, überzeugend zu klingen. Ob Nøkleby ihm das abkauft, ist allerdings ungewiss.
Sie steht auf, streicht sich den Rock glatt und wirft Bjarne einen erwartungsvollen Blick zu.
»Ich kann nichts versprechen. Ich kann ihm ja nicht so ohne Weiteres von Indicia erzählen. Ich brauche einen Aufhänger – und vielleicht dauert das eine Weile …«
»Natürlich, das verstehe ich. Aber du kriegst das schon hin.«
Bjarne lächelt kurz. Von Pia Nøkleby bekommt man nicht oft ein Lob. Und auch wenn sie das vermutlich nur gesagt hat, um sein Ego zu streicheln, tut es seine Wirkung.
Sie lächelt noch einmal, ehe sie den Raum verlässt. Bjarne nimmt wieder Platz und atmet tief durch.
Als hätte er nicht ohnehin schon genug am Hals.
66
Gedankenversunken fährt Henning im Bus zurück ins Zentrum.
Wie ist der Hund der Familie Kjær gestorben? Unwahrscheinlich, dass er sich die tödliche Wunde am Hals selbst zugefügt hat. Nein, der Hund ist getötet und dann auf der Verandatreppe in Kjærs Garten für alle sichtbar abgelegt worden, schließt Henning. Wahrscheinlich sollten ihn die Kinder finden. Das ist nicht nur gemein, sondern in höchstem Maße brutal. Und natürlich muss man dies
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