Verleumdung
ihrem Bericht will sie sich darauf nicht festlegen. Und ihre Untersuchung der Verletzungen, die dem Opfer nach dem Tod beigefügt wurden, scheint mir doch ziemlich eindeutig auf einen professionellen Täter hinzuweisen. So etwas zeugt doch von einer außergewöhnlichen Kraft und einem eiskalten Kalkül. Und das deutet ehrlich gesagt nicht gerade auf ein schmächtiges Mädchen hin.«
»Was meinst du mit professionell?«
Thor lehnte sich überrascht auf dem Stuhl zurück.
»Wer wird professionell zum Töten ausgebildet?« Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Na, ein Soldat!«
Thor versuchte noch zu erklären, dass er die Ermittlungen gerne weiterhin auch in andere Richtungen verfolgen würde, aber Lene Mikkelsen raffte bereits seine Papiere zusammen. Sie war ganz offensichtlich zufrieden damit, einen Kurs festgelegt zu haben.
»Ich schreibe dir einen Beschluss, damit du Uffe Overbye festnehmen und sein Haus durchsuchen kannst. Und ruf mich an, wenn du etwas findest.«
*
»Ist da jemand?«
Schon als Linnea die Treppe hinaufging, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Sie hielt mitten auf einer Stufe inne, dann begriff sie, was es war. Die Eingangstür war lediglich angelehnt. Sie lief die letzten Stufen zu ihrer Wohnung hinauf und stieß die Tür auf.
In höchster Alarmbereitschaft betrat sie den Flur. Nicht ein Laut war zu hören. Dann ging sie in das erste Zimmer. Ihr Herz klopfte wie wild, während sie von Zimmer zu Zimmer hastete. Doch es schien niemand mehr da zu sein, und alles sah genauso aus, wie sie es am Morgen verlassen hatte.
Sie atmete erleichtert auf, bekam dann jedoch erneut Herzrasen bei dem Gedanken, wie dumm sie gewesen war. Sie hätte bereits im Treppenhaus die Polizei rufen sollen, anstatt zu riskieren, dass sich der Einbrecher noch immer in ihrer Wohnung befand. Er hätte sie niederschlagen oder im schlimmsten Fall sogar umbringen können. Sie ging noch einmal zur Tür, die aufgebrochen worden war, und zwar nicht gerade elegant. Wahrscheinlich hatte jemand ein Brecheisen oder Ähnliches benutzt, um sie aufzustemmen. Linnea beschloss auf der Stelle, das alte Schloss nicht nur erneuern, sondern auch noch ein zusätzliches Sicherheitsschloss einbauen zu lassen.
Unruhig untersuchte sie die ganze Wohnung. Sie konnte nicht erkennen, dass etwas gestohlen worden war, und war erleichtert darüber, ihr MacBook heute auf der Arbeit vergessen zu haben. Sonst würde es jetzt unter Garantie fehlen, und auch wenn es nicht viele persönliche Daten enthielt, gab es dennoch heikle Dokumente in Verbindung mit ihrer Arbeit, die nicht in fremde Hände gelangen durften.
Sie holte eine Flasche Barolo und ein Glas aus der Küche, warf sich aufs Sofa und schloss die Augen. Der Blackberry lag direkt neben ihr, aber sie verwarf den Gedanken, jemanden anzurufen. Was hätte sie schon sagen sollen? Dass jemand bei ihr eingebrochen war, aber nichts gestohlen hatte? Auf einen solchen Fall würde die Polizei garantiert nicht viel Energie verschwenden. Es würde höchstens zu einer Anzeige gegen unbekannt kommen, um die Versicherung zufriedenzustellen. Und auf einen solchen Aufwand hatte sie keine Lust, nur um sich das defekte Schloss erstatten zu lassen. Stattdessen rief sie Lex an, die aber nicht ans Telefon ging. Linnea hatte im Laufe des Tages bereits mehrmals versucht, sie zu erreichen. Vielleicht hatte sie ganz einfach den Stecker herausgezogen, um mit ihrer Trauer allein zu sein.
Sie ließ den Blackberry wieder aufs Sofa fallen. Plötzlich ging ihr auf, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Einbruch handeln konnte, wenn nichts gestohlen worden war. In der Wohnung und den Umzugskartons fand sich doch die ein oder andere Wertsache. Zum Beispiel die beiden Minipod-Lautsprecher, die aus Mangel an Regalen auf dem Fensterbrett standen. Plötzlich verspürte sie Unbehagen. Der Einbrecher hatte etwas Bestimmtes gesucht und war unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Dieser Einbruch war nicht zufällig, sondern gezielt gegen sie gerichtet gewesen.
Sie stand auf und begann, die Wohnung ein weiteres Mal zu durchsuchen. Nachdem sie gründlich den Inhalt einer Kommode durchwühlt und jedes Blatt auf ihrem Küchentisch umgedreht hatte, bemerkte sie endlich, dass eine Sache tatsächlich fehlte: ihre zusätzliche Schlüsselkarte für das Panum Institut, die neben ihrer Matratze im Schlafzimmer gelegen hatte. Sie riss das Bettzeug herunter und hob die Matratze an, aber sie war eindeutig nirgendwo dazwischengerutscht.
Die
Weitere Kostenlose Bücher