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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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Sie war angelehnt.
    Er zögerte eine Sekunde, während der er das Gefühl hatte, dass ihm bald das Herz heraussprang. Im Mund spürte er einen metallischen Blutgeschmack. Er platzierte seinen Fuß auf der Schwelle der Tür und stieß sie auf.
    Er sah in den Lauf einer Pistole, die direkt auf ihn gerichtet war. Eine einzige, kleine Bewegung des Fingers, der auf dem Abzug ruhte, und er wäre tot.
    Thor bewegte sich nicht und hatte das Gefühl, dass die Zeit stehen blieb. Dann ließ er seine Hände sinken und wollte schon seine Pistole auf den Boden legen.
    Doch plötzlich begriff er, dass Uffe Overbye die Pistole gar nicht auf ihn gerichtet hatte. Sie zielte zwar auf ihn, aber er war nicht das Ziel. Overbye hatte kein Ziel.
    »Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
    Mittlerweile war er auf den Boden gesunken. Seine Augen waren geschlossen, und Tränen liefen ihm über die Wangen. Die Pistole hielt er noch immer in den Händen. Vorsichtig trat Thor einen Schritt zur Seite. Der andere bewegte sich nicht. Dann noch einen Schritt.
    »Ich will einfach nur allein sein!«
    Er redete immer weiter vor sich hin, und Thor versuchte ihm beruhigend zu antworten, während er sich ihm langsam näherte. Overbye hatte lediglich auf den Fernseher geschossen, der auf einem Sofatisch an der Wand stand, und der Bildschirm war in tausend kleine Scherben zersprungen, die über den Boden verteilt lagen. Er umklammerte seine Pistole, als wolle er sich überwinden, seinem Leben ein Ende zu setzen.
    Im nächsten Moment holte Thor zu einem Tritt aus, und dann geschah alles auf einmal.
    Overbye schrie, als die Pistole aus seiner Hand geschleudert wurde, und Thor warf sich über ihn, um sicherzugehen, dass er keine weiteren Waffen besaß. Gleichzeitig wurde die Haustür eingetreten und eine Stimme verkündete per Lautsprecher die Ankunft der Polizei. Das Sondereinsatzkommando war eingetroffen.
    »Übernehmt ihn«, sagte Thor. »Er ist unbewaffnet.«
    Ein uniformierter Polizist mit Visier und Helm war zur Tür hereingetreten. Er senkte seine MP5, auf der ein Zielfernrohr und eine Schulterstütze montiert waren, was mitten in dem tristen Wohnzimmer völlig deplatziert wirkte. Überflüssigerweise zeigte Thor ungeduldig auf den Mann auf dem Boden, der keinen Ton von sich gab.
    Thor rannte nun die Treppe hinauf. Er murmelte Stoßgebete vor sich hin, während er im oberen Stock von Zimmer zu Zimmer lief, bis er zu einer verschlossenen Tür gelangte. Vielleicht das Badezimmer. Sein Herz machte einen Satz.
    »Ist euch etwas zugestoßen?«
    Doch niemand antwortete. Thor wiederholte seine Frage. Dann wurde endlich der Schlüssel im Schloss umgedreht, und die Tür öffnete sich vorsichtig. Dort stand ein Mädchen im Alter von fünf oder sechs Jahren und starrte ihn an. Es hätte Maja sein können. Dann tauchte der kleine Bruder hinter dem Mädchen auf, und auf dem Boden des Badezimmers saß eine blonde Frau und verbarg ihr Gesicht zwischen den Händen.
    »Papa ist mal wieder komisch«, sagte das Mädchen schließlich.
    Thor flüsterte, es sei alles okay, und sie könnten jetzt ruhig wieder herauskommen. Danach lehnte er sich gegen die Wand im Flur und sank in die Knie, bis er irgendwann bemerkte, dass ein Beamter vor ihm stand und sich fragend über ihn beugte.
    »Nehmt ihn mit zum Politigården«, sagte Thor dann. »Ich glaube, er ist bereit auszupacken!«
    *
    Auf dem Flur waren Schritte zu hören, und fast im selben Moment gelang es Linnea endlich, sich das Klebeband vom Mund zu reißen. Sie unterdrückte einen Schrei, als sie dabei einen Teil ihrer Haare mit ausriss. Sie war bereits wieder auf den Beinen, als die Tür aufging.
    »Was ist passiert?«
    Linnea stand mit einem soliden Schenkelknochen in der Hand bereit und schwang ihn drohend über ihrem Kopf. Der Securitas-Mann in der Tür sah sie entsetzt an. Sie schob sich an ihm vorbei und starrte auf den Flur hinaus, doch es war niemand zu sehen. Wie viel Zeit war vergangen, seit sich die Tür des Labors hinter ihrem Angreifer geschlossen hatte? Anschließend hatte sie schätzungsweise eine Viertelstunde gebraucht, um die andere Hand ganz zu befreien, sich mit viel Geduld gewappnet und sich auf eine erneute Konfrontation vorbereitet. Sie wusste, dass sie sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte, und ihr Blackberry lag noch immer in ihrem Büro. Sie konnte sich lediglich bewaffnen, für den Fall, dass der Angreifer zurückkam. Doch mittlerweile hatte der Betreffende wohl ausreichend

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