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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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über sich und ihre Augen, die vor Hass funkelten. Er betrachtete sie verblüfft. Ihr Körper war sehnig wie der einer Spitzensportlerin. Ihm fiel auf, dass sie erstaunlich hübsch gewesen wäre, hätte sie nicht aus professionellen Gründen ihr Bestes getan, unauffällig auszusehen.
    Sie versuchte ihn mit ihren Schenkeln einzuklemmen, aber mit einer Bewegung, die man kaum als Kraftanstrengung bezeichnen konnte, warf er sie von sich, nahm ihr die Pistole weg und griff mit der anderen Hand die Pol-Roger-Flasche und die beiden langstieligen Gläser. Dann wandte er sich zu ihr.
    »Sollten wir nicht lieber zum geschäftlichen Teil übergehen, anstatt hier einen solchen Zirkus zu veranstalten?«
    *
    Der Raum war fensterlos, und das Licht war nicht eingeschaltet. Als die Tür langsam ins Schloss fiel, konnte Linnea in dem Licht, das vom Flur hereindrang, einen kurzen Blick auf den Raum erhaschen. Sie hatte zu erraten versucht, wo man sie hinbrachte, als sie über den Flur geschleift wurde. Aber es war ihr schwergefallen, alles mitzubekommen, da sie nur durch den schmalen Schlitz sehen und die ganze Zeit darauf achten musste, sich nicht das Gesicht aufzuschürfen. Die Wände des Raums, in dem sie sich nun befand, waren mit schwarzen Tafeln bedeckt, auf die man Hüftschalen, Schädel und andere Knochen in unterschiedlichen Varianten geklebt hatte. Eine Wand war komplett mit Pappkartons voller Knochen zugestellt. Sie war also in das osteologische Labor geschleppt worden.
    Linnea wurde noch ein kurzes Stück gezogen, dann ließ man ihre Beine los. Sie drehte sich leicht zur Seite und versuchte, etwas von ihrem Angreifer zu erkennen, doch sie konnte nichts anderes sehen als ein Paar dunkle Hosenbeine, das sich entfernte.
    Sie krümmte sich schnell ein wenig zusammen und holte zu einem Tritt aus. Beim ersten Mal verfehlte sie ihr Ziel, beim nächsten traf sie genau. Mit einem wilden Rasseln fielen die Knochen in sich zusammen. Es musste sich um ein vollständiges Skelett handeln, das im Laufe des 19. Jahrhunderts zu Unterrichtszwecken verwendet worden war. Der Schädel rollte quer durch den Raum und wurde erst an der Tür aufgehalten, wo Linneas Angreifer ihn mit einem wütenden Tritt stoppte.
    Mit zwei Schritten war er wieder bei ihr, genau wie Linnea es geplant hatte. Diesmal wurde sie noch tiefer in den Raum hineingeschleift, damit sie keinen weiteren Lärm verursachen konnte. Aber jetzt war Linnea zum Angriff bereit.
    Im dem Moment, als ihr Bein wieder losgelassen wurde, gelang es ihr endlich, ihre rechte Hand zu befreien. Sie griff in ihre Jackentasche und angelte das Pfefferspray heraus. Immerhin war sie intelligent genug gewesen, es zu Hause einzustecken. Sie krümmte sich ein weiteres Mal zusammen, drehte sich auf die Seite und sprühte los.
    Ein Brüllen ertönte, und Linnea bekam erst einen Tritt in den Magen verpasst, dann noch einen. Dann hörte sie hastige Schritte, und die Tür wurde zugeschlagen.
    Sie war allein im Dunkeln. Draußen auf dem Flur konnte sie ein Husten hören und versuchte, ihre Chancen einzuschätzen. Das Pfefferspray war noch auf eine Distanz von fünf bis sechs Metern wirksam. Die Dosis Capsaicin, die sie abgefeuert hatte, dürfte genug gewesen sein, um Orientierungslosigkeit, extreme Schmerzen in den Augen und eine Reizung der Schleimhäute zu verursachen. Wenn ihr Angreifer es eingeatmet hatte – und es klang ganz danach –, würde er noch ein paar Stunden darunter zu leiden haben.
    So hatte sie wenigstens Zeit gewonnen.
    47
     
    E r wagte es, den Kopf ein Stückchen vorzustrecken. In den Fenstern war niemand zu sehen. Hatte Overbye möglicherweise doch die Flucht nach vorn durch die Haustür angetreten?
    Thor umklammerte seine Pistole fest mit beiden Händen und stürmte zur Terrasse. Er stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür, die zum Glück nicht verschlossen war, und fiel vornüber ins Wohnzimmer.
    Im selben Moment fiel ein Schuss, gefolgt von einem gewaltigen Klirren. Er warf sich auf den Boden. Suchte mit der Pistole im Anschlag das Zimmer ab, doch er war allein. Dann stand er auf. Lief zu einer Tür, die zur Küche führte. Nichts. Auch hier war niemand. Sein Herz klopfte so wild, dass es alles zu übertönen schien, und er überlegte, ob er überhaupt hören konnte, wenn sich jemand von hinten anschlich.
    Dann drehte er sich blitzschnell um. Mit der Pistole vor sich in den ausgestreckten Armen ging er zur zweiten Tür, die vermutlich in einen weiteren Wohnraum führte.

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