Verleumdung
Ganze auch Schritt für Schritt angehen. Du musst versuchen, etwas mehr von seinem Part des Geschäfts zu übernehmen.«
Sie sah ganz eifrig aus.
»Kannst du ihm nicht vorschlagen, etwas mehr in den Import einzusteigen und im Gegenzug die Einnahmen zu teilen? Immerhin bist du ja derjenige, der den Kontakt zu den Kunden hält und weiß, was sie zu zahlen bereit sind. Auf diese Weise bekommst du auch einen Zugang zu seinen Kontakten, und gleichzeitig springt mehr Geld dabei raus.«
Sie hatte sich aufs Sofa zurückgelehnt und Jonas eindringlich angesehen. Ganz eindeutig zufrieden mit ihrem Plan. Dann hatte sie sich wieder vorgebeugt, ihren Kopf zu seinem Schritt gesenkt und seinen Reißverschluss geöffnet.
Bevor sie zur Sache gekommen war, hatte sie Jonas mit einem verschwörerischen Lächeln angeschaut.
»Und außerdem weißt du genau, dass es für mich mindestens ein Palast in Monaco sein muss. Eine Dreizimmerwohnung an der Costa del Sol kannst du vergessen. Da musst du schon in größeren Dimensionen denken!«
Lex hatte schon immer gewusst, wie sie ihren Willen bekam. Firaz allerdings hatte der Idee nicht ganz so offen gegenübergestanden. Als sie sich am üblichen Ort trafen und Jonas den Vorschlag zur neuen Gewinnverteilung unterbreitete, erklärte der Dolmetscher ihm mit einem hinterlistigen Grinsen, er sei zufällig eben zu dem genau gegenteiligen Schluss gekommen. Jetzt, wo das Geschäft so gut laufe und sie einen festen Kundenstamm hätten, sei er möglicherweise nicht mehr so sehr auf Jonas’ blaue Augen angewiesen. Ja, im Grunde genommen habe er ihm gerade vorschlagen wollen, dass sich ihre Wege trennten, sobald die letzte Lieferung abgesetzt worden sei. Wenn Jonas ihm also noch die Kundenliste aushändigen könne, wäre das sowohl von ihm als auch von höchster Stelle gern gesehen. Und wenn Jonas mit dieser Idee nicht einverstanden sei, könne er, Firaz, ja dafür sorgen, dass eine neue Version der alten Geschichte aus Basra an die Öffentlichkeit dringe.
Jonas hatte sich einfach nur umgedreht und Firaz dort am Wegrand sitzen lassen. Plötzlich hatte er am ganzen Körper gefroren und gespürt, wie eine lange unterdrückte Wut in ihm aufstieg. Ziellos war er durch den Wald gestapft, bis er nicht mehr gewusst hatte, wo sein Auto stand. Er hatte das Gefühl der Zweige genossen, die sein Gesicht streiften, und war immer tiefer in den Wald hineingegangen, hatte nichts anderes gewollt, als sein gesamtes elendiges Leben einfach wegzumarschieren. Der Gedanke, dass noch mehr in seiner Vergangenheit gewühlt wurde, überforderte ihn. Und er fühlte sich gedemütigt; sowohl von dem herablassenden Ton des Dolmetschers als auch von dem Gefühl, lediglich eine Art Vermittler zwischen Firaz und Lex zu sein. Er stand zwischen zwei Menschen, die beide Größeres mit ihm im Schilde führten. Und nie mit etwas zufrieden waren. Doch einen großen Unterschied zwischen den beiden gab es immerhin: Lex war seine Geliebte und Ehefrau. Diejenige, die ihn entdeckt, an ihn geglaubt und ihn aus seinem Vorstadtghetto befreit hatte. Er stand tief in ihrer Schuld und hätte alles für sie getan. Firaz dagegen war sein böser Geist. Alles Schlechte hatte mit ihm seinen Anfang genommen, und nur aus Dummheit und Gier hatte Jonas sich noch stärker an ihn gebunden.
Und genau da – verirrt, mitten in einem Wald, weit weg von zu Hause – wurde Jonas mit schmerzlicher Klarheit bewusst, dass er nie wieder von dem Dolmetscher loskommen würde.
Er unterbrach seine wilde Flucht ins Nichts und setzte sich auf den Waldboden. Lehnte sich an einen Baumstamm, atmete den Duft von Harz und Tannennadeln ein und sah mit einem Mal alles ganz deutlich. Sowohl Lex als auch Firaz waren ein Teil seines Lebens, von dem er sich nicht einfach abwenden konnte. An Lex war er aus Lebensnotwendigkeit gebunden. Sie war diejenige, die ihn erfunden hatte, die seinem Leben eine Richtung gab. Dieses Band konnte er nicht kappen, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Indem sie die Gesetze der Gesellschaft verletzt hatten, wurde der Pakt zwischen ihnen noch stärker. Lex war so kompromisslos, dass es geradezu furchterregend war. Doch im Gegenzug wusste er, dass sie alles, was sie tat, ihnen zuliebe machte; um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. An Firaz war er durch böse Erinnerungen gefesselt, durch die schlimmen Erlebnisse und Alpträume, die ihm eine solche Pein bereiteten. Und durch die Macht, die der Dolmetscher dank seines Wissens über ihn
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