Verleumdung
anzueignen. Einige verwendeten bei den Angriffen sogar Bajonette. Es war einfach zu lächerlich.
Bei ihrer Rückkehr wurde der Einsatz als großer Sieg gefeiert, und Kevin Love erhielt einen weiteren Orden für seine Paradeuniform. Doch für ihn war das Undenkbare eingetroffen. Er, der geglaubt hatte, für den Rest seines Lebens im 22. Regiment Special Air Service zu bleiben, war es leid, sein Talent zu vergeuden und sein Leben zu riskieren, weil die Einsätze von Idioten geplant wurden. Deshalb wurde er zunächst Söldner. Erst bei den South African Defence Forces, dann in Mittelamerika, dann wieder in Afrika, als Leiter des Sierra Leone Commando Service und in anderen Regionen mit instabilen Regierungen, die Bedarf an Schutz und militärischer Kompetenz hatten. Währenddessen war er stets in allerlei Nebentätigkeiten verwickelt gewesen, vom Schutz der Minenarbeiter in Ruanda über Diamantenschmuggel bis hin zu Waffen- und Rauschgifthandel im Sudan.
Am Ende hatte er sein Leben als Söldner aufgegeben, um sich den vielen noch lukrativeren Geschäften zu widmen.
*
Sie war von einem Winseln wach geworden. Eigentlich hatte sie sich in einem angenehm betäubten Zustand befunden und tief und traumlos geschlafen – wegen ihres Blutverlusts und des dickflüssigen Alkohols, an den sie sich immer mehr gewöhnte. Ihr war es gerade noch gelungen, auf die Pritsche zu klettern, bevor sie endgültig wegdämmerte. Jetzt lag sie mit einer fleckigen und stinkenden Decke über sich da und versuchte, wieder zu sich zu kommen.
Peggy-Lee zwang ihr Gehirn zum Denken, und ihr ging auf, dass sie nicht von allein aufgewacht war, sondern ein fremdes Geräusch gehört hatte. Sie hielt den Atem an und horchte, wagte aber nicht, sich aufzurichten und die Gardine beiseitezuziehen, um zu sehen, ob jemand draußen auf dem Bootssteg stand und hereinsah. Jetzt war das Geräusch wieder da, ein Winseln und ein Kratzen von etwas Hartem auf Holz. Es wurde immer lauter, und plötzlich war es direkt über ihr.
Peggy-Lee richtete sich auf und ließ sich dann auf die Planken gleiten. Sie kroch auf allen vieren darauf entlang, bis sie zu einem Bullauge links von der Kombüse gelangte, von dem aus sie fast das ganze Deck überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Trotzdem hechtete sie sofort von dem Fenster weg, als sie begriff, wo die Geräusche herkamen.
Nur zwei Meter von ihr entfernt stand ein großer Schäferhund auf dem Deck. Ganz offensichtlich hatte er ihre Fährte aufgenommen. Es war schneller gegangen, als sie gedacht hatte. Sie hatte gehofft, die einsame Lage des Tatorts würde ihr zu einigen Stunden Vorsprung verhelfen, ehe man die Leiche entdeckte. Aber dies war zweifelsohne ein abgerichteter Polizeihund, und sie musste sich schleunigst aus ihrem Dämmerzustand befreien und von hier wegkommen. Aber erst musste sie sich um diesen Hund kümmern, ehe er sein Herrchen alarmieren konnte.
Peggy-Lee sah sich in der Kajüte um und griff nach der Dose mit dem gekochten Schinken, öffnete sie hastig und stellte sie auf die Schwelle zur Kajüte. Dann raffte sie ihre Kleidung zusammen, band sich ihr Oberteil um die Taille, steckte ihr Portemonnaie und Telefon in die Plastikhülle einer alten Seekarte und stopfte sich das Ganze in den Hosenbund. Sie pfiff leise nach dem Hund, der die Ohren spitzte und sich dem Kajüteneingang näherte, hinter dem sie sich versteckte.
Als das Tier die Dose erreicht hatte, stand es so nah bei ihr, dass sie seinen stinkenden Atem riechen konnte. Blitzschnell stand sie auf und schlug mit der Faust auf den Schädel des Schäferhundes. Er ging mit einem leisen Jaulen zu Boden.
Peggy-Lee bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick, ehe sie an Land sprang. Eigentlich mochte sie Hunde.
*
»Ich muss jemanden von der Mordkommission sprechen«, sagte Linnea in ihr Handy und versuchte, den Taxifahrer zu ignorieren, der neugierig zuhörte. »Wer leitet die Voruntersuchung zu dem ermordeten Mann, den man letzte Nacht gefunden hat?«
Nur Touristen konnten auf die Idee kommen, mitten auf der Straße stehen zu bleiben. Linnea verkniff sich einen bösen Kommentar, während sie darauf wartete, dass das Taxi endlich von der Stelle kam. Ihre Schicht am Rechtsmedizinischen Institut fing in zehn Minuten an, und bei diesem Tempo war die Wahrscheinlichkeit, pünktlich zu kommen, ziemlich gering. Sie musste sich endlich ein Fahrrad zulegen, das Universalverkehrsmittel in Kopenhagen. Sie vergaß allerdings ihren Vorsatz immer
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