Verliebe dich nie in einen Rockstar
ignorieren. Ich schob mich an ihm vorbei in das Haus.
»Hi Ian«, begrüßte Serena ihn schüchtern. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass sie ihre Hand über seinen Arm streichen ließ, aber er bemerkte es nicht.
»Was hat meine Schwester denn nun schon wieder gemacht?«, fragte er und sperrte hinter uns die Tür zu. »Hat unser
Prinzesschen versucht, zu rauchen?«
Ich sah, dass Ian noch immer im schmuddeligen Shirt und in
Boxershorts steckte. Im Gegensatz zu mir bemühte sich mein Bruder nicht um eine sinnvolle Weiterbildung oder einen richtigen Job. Nachdem er eine technische Schule abgeschlossen hatte, lebte er von dem Geld meiner Eltern oder hielt sich mit diversen Programmieraufträgen über Wasser.
Bei ihm fiel es mir viel leichter, nicht sofort aus zu ticken.
»Chemieunfall«, klärte ich ihn auf.
Anscheinend bemerkte Ian nicht, dass er störte, denn er folgte uns in mein Zimmer. Ich wollte mich im Spiegel betrachten, doch Serena nahm eine Decke und verhüllte Haare und Gesicht, bevor ich mich ansehen konnte.
»Setz dich«, wies sie mich an und deutete auf meinen Drehstuhl, während sie meine alte Bastelschere zückte. In ihrer Hand sah sie wie eine extrem gefährliche Mordwaffe aus.
»Mach ihr eine Glatze, Serena«, meinte Ian, der am Türrahmen lehnte.
»So wie du an deinem sechzehnten Geburtstag?«, fragte ich. Mein falsches Lächeln brachte Ian dazu, die Augen weit aufzureißen. Er wusste genau, was jetzt kam. »Weißt du noch? Du warst total besoffen und hast dir Moms Wachsstreifen auf die Haare geklebt und abgezogen. Ich weiß noch, wie du stundenlang wegen deinen armen Haaren geheult hast.«
Während wir uns gepflegt unterhielten, fielen die ersten Haarsträhnen zu Boden.
»Das war wegen der Schmerzen!«, verteidigte er sich schwach. Ein wenig bleich um die Nase verließ er uns.
»Serena macht dir eine tolle Frisur«, sagte sie. »Serena hat ihren Barbies auch immer die Haare geschnitten ... bevor sie ihnen den Kopf abgerissen hat.«
»Danke, Serena.« Ich lächelte schwach. »Und danke, dass du mich heute gelöscht hast.«
»Das war nicht Serena.« Da sie gerade vor mir stand, konnte ich sehen, wie sie den Kopf schüttelte. »Acid hat dir Wasser über den Kopf geschüttet. Na ja, eigentlich hätten es ein paar Tröpfchen auch getan. Serena hat jedenfalls nur dein Shirt erwischt. Entschuldigung, Zoey.«
»Was?«
Alex, der nur blöde Sprüche und unpassende Lyrics zu meiner Situation zum Besten gegeben hatte, soll mir geholfen haben?
»Du kannst die ganze Klasse fragen. Alex hat dir einen Messbecher voll Wasser über die Haare gegossen. « Serena ging einen Schritt nach hinten und betrachtete ihr Werk. »Serena ist fertig!«
Freudestrahlend riss sie die Decke vom Spiel und enthüllte meinen neuen Haarschnitt.
Ich sog die Luft scharf ein und starrte völlig entsetzt auf mein Spiegelbild. Ungläubig strich ich durch meine Haare.
»Serena ...«, sagte ich leise. »Was hast du getan?«
»Serena hat dich für Acid hübsch gemacht.«
Meine vorher fast hüftlangen Haare reichten gerade noch bis zu den Schultern und waren ordentlich durchgestuft. Außerdem hatte mir Serena einen Pony verpasst. Ich sah aus wie eine dieser Emos, die man zuhauf auf Alex‘ Myspace-Seite unter seinen Freunden fand. Nicht, dass ich gestern einmal auf der Myspace-Seite seiner Band gewesen war ...
Das nervöse Zucken um mein rechtes Auge verschwand bis zum Abendessen nicht.
06. KAPITEL
GHOSTRIDER IN FLEISCH UND BLUT
Am Morgen nach der kleinen Feuerwehrübung wollte ich zum ersten Mal seit zwölf Jahren nicht aus dem Bett aufstehen und zur Schule gehen.
In meiner Bettdecke wie in einen riesengroßen blauen Kokon mit Sternen eingehüllt, fühlte ich mich warm, geborgen und zufrieden. Mir würde schon noch einfallen, wie ich das Problem mit der Nahrungsaufnahme und der Toilette lösen konnte. Ich würde mich auf jeden Fall nie wieder aus meiner Hülle begeben. Ich würde mit ihr alt werden, darin sterben, und nachdem jemand den Verwesungsgeruch bemerkt hat mit ihr begraben werden.
Als mein Wecker zum dritten Mal klingelte, griff ich aus meiner weichen Schale heraus und schmiss das Teil gegen die Wand. Leider hörte ich neben dem Aufprall des Weckers auch noch das klirrende Geräusch eines zersprungenen Blumentopfes. Meine geliebten Orchideen! Nach sechs Vorgängern hatten sie länger als einen Monat in meiner Obhut überlebt und nun hatte ich sie ausversehen getötet.
»Daran ist nur Alex schuld!«,
Weitere Kostenlose Bücher