Verliebe dich nie in einen Rockstar
ganze drei Kilometer. Scheiß auf die Umwelt! Die Welt wäre nicht gleich draufgegangen, wenn meine Eltern einmal die Strecke vom Haus bis zu ihrer Arbeit mit dem Auto gefahren wären! Aber jetzt ging die Welt unter ... Zwar nur meine persönliche, kleine, gestörte Welt, aber die war nicht weniger wichtig.
Ich tat das, was man am besten in so einer Situation macht: Ich drehte mich um und starrte in die Luft, als würde ich meine eigenen Eltern nicht kennen. Nach jahrelanger Übung fiel mir die Sache gar nicht schwer. Seit Jahren musste ich mir von meinem Vater auf Familienfeiern den gleichen peinlichen Witz anhören und meine Mutter ertragen, die nach zu viel Wein wie eine Irre dazu kicherte. Dadurch war ich Meisterin darin geworden, unwichtige Dinge wie die Blasen in einem Sektglas oder die Flusen auf einem Teppich interessant zu finden.
Vielleicht würden mich meine Eltern übersehen, wenn ich stocksteif stehen blieb?
Die Antwort war: Nein, das taten sie nicht.
»Zoey?« Meine Mutter eilte zu mir, so dass ihre Stöckelschuhe auf dem Gehweg dieses Tock-Tock-Geräusch machten, das mir schon öfter paranoide Anfälle beschert hatte. »Was machst du denn um die Zeit schon hier?« In diesem Moment fiel ihr wohl endlich auf, dass ich nicht allein war. Sie blieb eine halbe Armlänge vor Alex stehen und musterte ihn von oben bis unten, und zwar so gründlich, dass ich sie mit einem genervten »Mom!« daran erinnern musste, dass so etwas unhöflich war. »Darf ich erfahren, was meine minderjährige Tochter während der Unterrichtszeit hier zu suchen hat?« Zunächst hatte meine Mutter vielleicht kindisch und nett gewirkt, aber jetzt war ihr strenger Tonfall zurückgekehrt. Ein Ton, der sich bereits in frühester Kindheit in meinen Kopf gebrannt und mich von vielen dummen Sachen abgehalten hatte ... bevor ich meinen Freundinnen und Alex begegnet war. »Und wer bist du?«, wandte sie sich an Alex, dessen dummes – aber auch sexy! – Grinsen endlich mal wieder aus seinem Gesicht gewichen war.
»Und ich würde gern wissen, was die eindeutige Pose von vorhin zu bedeuten hatte«, mischte sich mein Vater mit seiner Anwaltsstimme ein.
»Ähm ...« Ich starrte meine Eltern an – beide in Hosenanzug und perfekt für die Arbeitswelt gestylt – und dann Alex, der wie immer völlig rockstarmäßig, sprich locker und bequem gekleidet war. Nur zu gut wusste ich, was meine Eltern von Jugendlichen hielten, die so waren wie Alex, aber ich konnte mein loses Mundwerk nicht halten.
»Alex ist mein Freund«, sagte ich, packte seine Hand und verschränkte meine Finger mit den seinen. »Liebe ist schon toll. Liebe, Freude, Schokokuchen oder so.« Oh Gott, ich war echt eine schlechte Schauspielerin!
Zum Glück war Alex besser darin und vermittelte ein wenig mehr von der scheinbaren Romantik, die zwischen uns herrschte. Er legte den Kopf schief, so dass seine Wange über meine Haare strich. Ich versuchte, die Luft anzuhalten, um nicht seinen herrlichen Duft einzuatmen. Um nicht wegen Atemnot umzufallen, schien es mir jedoch irgendwann sinnvoller, seinen Duft zu inhalieren. »Zoey ist die Liebe meines Lebens«, sagte er so ernst, dass mir ganz anders wurde. Mein Herz klopfte wild und in meinem Bauch ... Bekam ich einen Blinddarmdurchbruch? Das wäre im Moment eigentlich die perfekte Lösung. »Ihre Tochter macht einen besseren Menschen aus mir.«
Meine Mom rang sich zu einen Lächeln durch, während mein Dad immer noch nicht überzeugt wirkte. Doch ich kannte Moms Lächeln. Es konnte genauso gut echt wie falsch sein. Wenn meine Eltern nicht zu sehr von Alex ... halt, was interessierte mich das?
»Wir sind Zoeys Eltern. Tut uns leid, dass wir uns nicht gleich vorgestellt haben«, sagte meine Mutter schließlich. »Ich bin Nina, Zoeys Mutter, und das ist mein Mann Viktor. Es wäre uns jedoch lieber, wenn du uns Herr und Frau Kramer nennst.«
Alex nickte lächelnd. »Ich bin Alex. Alexander Seidl.«
»Will der Junge vielleicht mit reinkommen?«, meinte mein Vater. »Ich brauche jetzt einen Kaffee und habe keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen.«
»Nein, will er nicht«, beantwortete ich die Einladung. »Alex geht jetzt nach Hause.«
»Nein, das tue ich nicht«, entgegnete dieser mit der gleichen süßen, aber gestelzten Stimme, die ich sonst an den Tag legte, wenn ich mich einschleimte. »Ich komme gern mit und lerne die Eltern meines Schatzes näher kennen. Das wollte ich schon seit langem tun!«
Also folgten Alex und ich meinen
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