Verliebe dich nie in einen Rockstar
überraschend meldete sich noch jemand zu Wort: »Das ist nicht fair.« Ich drehte mich zu Ian um, der aus einer blauen Schüssel seine Cornflakes löffelte. Er trat neben mich und zeigte mit dem Löffel abwechselnd auf meinen Vater und auf meine Mutter. »Sie ist fast achtzehn Jahre alt! Lasst sie doch ein bisschen das ungetrübte Teenie-Leben genießen. Und jetzt sagt nichts über Ellen und was sie getan hätte. Ihr denkt nur, dass sie die perfekte Tochter ist, aber genau dieses Perfekt-Sein macht sie innerlich kaputt. In spätestens zwei Jahren ist sie von ihrem jetzigen Leben zwischen Ehe und ihrem Lehramtsreferendariat so gefrustet, dass ihr sie als Häuflein Elend aufkehren dürft!«
»Hast du nicht mitbekommen, was deine Schwester getan hat, und was sie verlangt?«, fragte ihn mein Vater mit dröhnender Stimme. »Sie hat-«
Ian hob die Hand. »Mir egal, was sie gemacht hat. Es kann nicht so schlimm sein, dass ihr ihr Hausarrest oder sonstiges verpasst. Gelockerte Regeln, habt ihr die denn vergessen?«
Als mir Ian eine Hand auf die Schulter legte und sich noch mehr für mich ins Zeug legte, spürte ich ein noch nie gekanntes Gefühl in meinem Bauch. Es erinnerte mich ein bisschen an das, was ich bei Alex spürte, war aber ganz was anderes: Bruderliebe. »Ich schlage vor, dass Zo einfach eine gelbe Karte bekommt. Dann ist jeder zufrieden. Zufrieden?«
Meine Eltern nickten beide mit hochroten Köpfen. Vielleicht wussten sie sich nach Ians Kopfwäsche nicht anders zu helfen, als seine Kritik stumm anzunehmen. »Wenn noch einmal etwas vorkommt, dann gibt es aber-«
»Konsequenzen«, sagte er vor ihnen. »Schon klar.«
Die Wut meiner Eltern hatte ein bisschen abgenommen, trotzdem konnte ich beinah mit ansehen, wie sich einige ihrer Strähnen grau verfärbten, als mich mein Bruder aus dem Raum navigierte.
»Noch einmal Glück gehabt, Zo«, sagte er leise zu mir. »Mann, jetzt ist mein Müsli ganz labbrig!«
»Warum hast du mir geholfen?«, platze es aus mir heraus. Ich deutete in die Richtung des Wohnzimmers. »Du hättest dich bei ihnen jetzt einschleimen können.«
Mein Bruder verdrehte die Augen. »Heiße ich Ellen und bin das Schoßhündchen unserer Eltern? Versprich mir einfach, dass du dich nicht zu sehr hängen lässt. Keine Drogen, keine Sex-Orgien oder etwas mit dem du dich strafbar machst, sonst bekommst du es mit mir zu tun. Abgesehen davon, mach das, was du willst. Opa Kramer wollte mich immer an seiner Schule sehen oder wie Ellen am Gymnasium, und was habe ich gemacht? Ich habe das gemacht, was mir gefallen hat und das sollst du auch tun.« Er legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte mich an. »Aber vergiss ja nicht, dass ich das schwarze Schaf der Familie bin.«
»Tja, es sieht so aus, als würde es bald zwei schwarze Schafe geben.«
30. KAPITEL
INNERLICH VERDORBEN – ABER WENIGSTENS EHRLICH
Am Samstag war es wieder so weit: Meine zartbesaiteten Nerven verabschiedeten sich in den Kurzurlaub.
Meine Freundinnen fanden mich deshalb halb in den Abgrund des Wahnsinns hinab gerutscht in der Küche vor. Ich hatte penibel aufgepasst, dass kein Back-Zeug mein perfektes Outfit zerstörte oder auch nur ein bisschen befleckte. Ich hätte mich in diesem Moment über mich selbst aufregen können: Den ganzen Nachmittag hatte ich gebacken, dann hatte ich mich fertig gemacht und anschließend mit dem Backen angefangen, weil ich meiner Nervosität irgendwie Raum machen musste.
Wer hätte gedacht, dass ich jemals so etwas sagen würde? Ein weiterer Beweis dafür, wie verdorben ich geworden war. Verdorben, aber dafür lebendig und irgendwie ... glücklich.
»Sie backt wieder«, flüsterte Serena Nell zu. »Warum das denn? Hat Acid etwas gema...«
»Warum?« Ich fuhr zu den beiden herum. »Ach, ich dachte nur, dass ich ein wenig Teig schlagen könnte, jetzt, da ich aus der Übung bin. Vielleicht muss ich demnächst meine Faust wieder einsetzten, aber im Moment ...«
Ich konnte Alex einfach nicht mehr schlagen. Wirklich! Das Einzige, an das ich in seiner Nähe denken konnte, war, mich an ihn zu schmiegen und seine Nähe zu genießen. In Chemie war es deshalb zu einer recht peinlichen Situation gekommen, als mein Körper gegen meinen Willen von Alex angezogen wurde. Leider hatte der sich gebückt, um seinen Stift aufzuheben, dabei war mein Kopf unsanft gegen seinen Stuhl geknallt. Ich wusste nicht, was peinlicher war: dass mein Kopf eine schmerzhafte Begegnung mit der Stuhllehne durchlitten und
Weitere Kostenlose Bücher