Verlieben war nicht abgemacht - Asher, B: Verlieben war nicht abgemacht - The Pretend Wife
– Thunfischkasserolle, gegrillten Käse, wässrige Tomatensuppe, Fischstäbchen, Kartoffelbrei aus der Tüte und gebratene Mortadella. Zu besonderen Anlässen wie unseren Geburtstagen machte er penetrant nach Ei schmeckenden Lachsauflauf aus der Dose. Das war sein Repertoire.
Er war dabei, die Mortadellascheiben einzuschneiden, damit sie sich in der Pfanne nicht wölbten. Der Herd war ein altes Gasmodell, bei dem sich nur noch eine Flamme automatisch entzündete. Für die anderen Kochstellen brauchte man ein Streichholz. Mein Vater stand leicht gebeugt, was dem altersbedingten Schmalerwerden seiner Schultern und dem Einsinken seines Brustkorbs geschuldet war. Als er mich bemerkte, strich er sich in einem Augenblick kritischer Selbstwahrnehmung übers Haar, als wolle er sich schön für mich machen. Ich ging zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wie geht’s dir?«, fragte ich und legte meine Handtasche auf den Tisch.
»Mir geht’s gut. Ich habe mir den ganzen Vormittag den Ophidion marginatum eines Kollegen angehört.« In der Hoffnung, dass ich sie mir merken würde, nannte er Dinge noch immer bei ihren lateinischen Bezeichnungen.
»Bitte, sprich nicht Lateinisch mit mir«, sagte ich.
»Also schön. Es handelt sich um den Gestreiften Kingklip – einen aalartigen Bodenfisch. Vor Cape Cod und New Bedford werden großartige Aufnahmen gemacht, und mein Kollege lässt von einem Studenten Aal-Laute vor Manhattan aufzeichnen – direkt im Hudson River.«
»Aale vor Manhattan – das klingt wie der Titel eines Off-Off-Off-Broadway-Stücks.«
»Es ist weitab vom Broadway. Ich helfe bei den Identifizierungen der Laute.« Er legte zwei gebratene Scheiben Mortadella auf Weißbrot. Senf und Mayonnaise standen schon bereit. Wir machten uns unsere Sandwiches zurecht, stellten unsere Teller auf die Gummi-Sets und setzten uns an den Tisch. Als Beilagen gab es Gewürzgurken und Oliven sowie ein Stück Jalapeño-Käse.
»Du bist ein wenig blass um die Nase«, stellte mein Vater fest.
»Peter und ich haben gestern einen alten Freund aus meiner College-Zeit getroffen, und die Wiedersehensfeier wurde etwas zu feuchtfröhlich.«
»Ach ja, die College-Zeit«, sagte er. »Meine Studenten trinken auch zu viel. Kürzlich wurde ich genötigt, an einer Konferenz über Saufgelage auf dem Campus teilzunehmen – als könnte ich etwas dagegen tun.« Die Studenten meines Vaters taten ihm gut – sie waren seine Verbindung zur Außenwelt. Dank ihnen wusste er manchmal, dass eine bestimmte Band in der Stadt gastierte, dass junge Leute ihre Jeans tief auf den Hüften sitzend trugen, und kannte kulturelle Phänomene wie Vergewaltigung durch nahe Verwandte und das Saufspiel beer pong.
Ich überlegte, wie ich Elliot zur Sprache bringen könnte. Ich wollte über ihn sprechen, mir etwas von der Seele reden – vielleicht die Art, wie er mich verwirrte. Hätte ich eine Mutter gehabt, wäre dies vielleicht eines von den Dingen gewesen, über die wir uns im Flüsterton unterhalten hätten, während wir offiziell eine kleine Besichtigungstour durch ihren neu angelegten Garten machten.
Mit meinem Vater konnte ich über derartig Intimes nicht reden. Wenn ich ihm erzählte, dass ich erwog, Elliots im Sterben liegender Mutter zuliebe seine Ehefrau zu spielen, würde mein Vater einen großen Bissen Mortadella in den Mund schieben, nicken, mit der Zunge eine Fingerspitze anfeuchten und damit die Krümel von seinem Teller aufpicken. Irgendwann würde er vielleicht etwas sagen wie: »Dazu kann ich mich nicht äußern.« Doch er würde sich damit so lange Zeit lassen, dass der Eindruck entstünde, er spräche das Thema erneut an, was noch unangenehmer wäre, als wenn er gar nichts gesagt hätte.
Aber Elliot war Akademiker, und alles damit Zusammenhängende war ungefährlich. »Mein alter College-Freund heißt Hull. Elliot Hull«, sagte ich. »Er lehrt jetzt an der Hopkins.«
»Welche Fakultät?«
»Philosophie.«
»Ah, ein Denker«, sagte er, womit er meinte, dass Elliot kein Macher war. Mein Vater hatte die akademische Welt in zwei Kategorien eingeteilt – in Denker und Macher. Er selbst betrachtete sich als Macher.
Das Mittagessen war schnell vorbei. Mein Vater hielt nichts davon, Mahlzeiten auszudehnen – für ihn als Macher war das verlorene Zeit. Wie er es oft tat, fragte er mich auch heute, ob ich mir sprechende Fische anhören wolle. Manchmal wollte ich es, und manchmal konnte ich es nicht aushalten, das unablässige Rauschen
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