Verliebt bis unters Dach Roman
untersuchen lassen. Sie muss ja auch geimpft werden. Es wäre grobe Vernachlässigung, wenn wir das nicht täten.«
»Meinst du?«
»Ich bin sicher. Richtig grausam wäre es.«
»Und du willst, dass ich sie hinbringe?«
»Du würdest mir einen Riesengefallen tun, denn ich habe einen Termin mit dem Tourismusamt wegen irgendeiner Werbung.«
»Wenn du mich tatsächlich dafür brauchst...«
»Mach schon«, drängte Marilyn sie lächelnd. »Geh ans Telefon und verabrede einen Termin. Immerhin...«, fügte sie
jodelnd hinzu: »Wenn der Hund beißt und die Katz stinkt, wenn du traurig bist, dann denk einfach an deinen Lieblingstierarzt, und die Welt ist schöööön.«
Es war ein notwendiger Besuch, aber warum fühlte sie sich so dämlich in dem Wartezimmer, umgeben von Tieren und deren Besitzern? Das Kätzchen, das sie Mätzchen getauft hatten - eine Kombination aus Mutter und Kätzchen, saß auf einem Kissen in dem Tragekorb wie ein Osterei, das vom Osterhasen persönlich abgeliefert wird. Es war, als könnten alle anderen Liesels Gedanken lesen und wüssten genau, warum sie hier saß. Sie war auf der Jagd, auf der Jagd nach einem Mann, und schämte sich schrecklich dafür. Das Blödeste aber war, dass Tom Spencer vielleicht gar nicht Dienst hatte, sondern der süße Adrian oder der schicke Mr. Childs.
»Mätzchen Hamilton, Raum drei, bitte«, rief die Sprechstundenhilfe.
Liesel musste sich beherrschen, nicht aufzulachen. Es war wirklich süß, wie sie hier die Tiere beim Namen aufriefen. Bisher hatte es geklungen wie bei einem Playboy-Treffen: Boots McKenzie, Bunny Ryder, Pinky Jackson und Fluffy Hoolahan waren vor ihr an die Reihe gekommen. Raum drei. Na, drei war eine Glückszahl. »Alles okay«, versicherte sie Mätzchen, als sie den nach Desinfektionsmitteln riechenden Gang entlanggingen.
Vorsichtig stieß sie die Tür auf und sah einen Kopf, der sich über den Untersuchungstisch beugte: Haar, das im Neonlicht glänzte wie eine Kastanie. Lächelnd blickte Tom hoch.
»Guten Morgen.«
Irgendwie sah er Joaquin Phoenix in Gladiator ähnlich, fand Liesel und erwiderte das Lächeln. Das lag an der Mundlinie
und den gemeißelten Wangenknochen. Ob das gut oder schlecht war, wusste sie nicht. Alle Leute, die sie kannte, hatten für Russell Crowe geschwärmt, doch sie schwärmte im Kino immer für die Bösen, und wenn sie Tom jetzt positiv mit ihm verglich, dann konnte sie überhaupt nicht mehr bestreiten, dass sie ihn attraktiv fand. Und das war gleichzeitig sehr gut und sehr, sehr schlecht. Es war schön, jemanden richtig nett zu finden, so ein warmes, schönes Gefühl, aber wenn Liesel jemanden sehr attraktiv fand, dann rastete ihr Verstand immer so seltsam aus. Es war, als würden dem Gehirn kleine Beine wachsen und als würde es in ein dunkle Ecke rennen, wo es sich weigerte, mit dem Rest des Körpers zu kommunizieren. Der schleppte sich dann weiter wie ein Bus ohne Fahrer, vor allem ihr Mund, der ganz besonders dämlich daherredete, ohne dass irgendein Verstand eine Kontrolle ausübte.
»Godrich lässt schön grüßen«, war der erste völlig blöde Satz, den sie unfreiwillig aussprach.
Seine Mundwinkel zuckten zu einem schrägen Lächeln hoch, worauf Liesel sofort dachte, wie schön es wäre, ihn zu küssen. Das machte alles nur noch schlimmer.
»Was macht der Daumen?«
Liesel hielt den sorgfältig gewickelten Verband hoch.
»Pulsiert«, sagte sie und errötete tief. Sie biss sich auf die Lippen. »Danke, dass Sie mich so schön verbunden haben.«
Oh, mein Gott, kann ich denn rein gar nichts Vernünftiges sagen? Liesel zuckte innerlich zusammen. Leicht war das nicht. Vermutlich sah sie aus, als müsste sie dringend aufs Klo. Es war ein völlig alberner Zustand, doch er konzentrierte sich zum Glück auf seine Arbeit.
»Was können wir denn heute für Sie tun?«
Liesel hob den Katzenkorb hoch. Mätzchen wählte genau
den richtigen Augenblick, die Pfötchen über den Rand zu stecken, die Augen groß wie Scheinwerfer aufzureißen und kläglich zu miauen.
Zu Liesels Erleichterung lächelte Tom.
»Ich wusste nicht, dass Sie eine Katze hatten.«
»Hatten wir bis vor Kurzem auch nicht.«
»Woher kommt sie?«
»Wir haben sie bei den Mülltonnen gefunden. Ich glaube, sie gehört niemandem.«
»Jetzt doch.«
»Ja, sie gehört zur Familie.«
»Die Glückliche!« Tom lächelte. Und Liesel spürte, dass ihr Magen sich drehte wie die Waschmaschine, die sie den ganzen Morgen zu reparieren versucht hatte.
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