Verliebt bis unters Dach Roman
einen verrückten Augenblick lang wollte Liesel sie ergreifen, erkannte aber im letzten Augenblick, dass er nur Rubys neues Halsband wollte, das sie gerade unter der Theke hervorgeholt hatte.
Sie reichte es ihm, woraufhin er sich bückte und es dem kleinen Tier sanft um den Hals legte. Dabei sprach er beruhigend auf Ruby ein.
»Wenn ich das versuche, tut sie normalerweise so, als wollte ich sie erwürgen«, lachte Liesel.
»Nun, ich habe ja jede Menge Erfahrung. Sie sind ganz neu in diesem Metier.«
»Haben Sie Erfahrung mit eigenen Hunden?«
Tom schüttelte den Kopf. »Nein, nur beruflich.«
Liesel streifte ihre Schuhe ab und zog Gummistiefel an. Dann holte sie Marilyns langen Mantel aus dem Büro.
»Sie können aber selbst keinen halten?«
»Einen kleinen Hund?«
»Hm-hm.«
»Ich fürchte, nein.«
»Ein Tierarzt ohne Tiere?«
»Ich weiß.«
»Liegt das an Ihrer Arbeitszeit?«
Er nickte.
»Wie schade«, sagte Liesel ernst.
Wieder nickte Tom, denn sie hatte Recht.
»Vielleicht später einmal.«
»Ja, vielleicht.«
»Möchten Sie das gerne?«
»Ja, sechs Stück.« Dabei grinste er und drehte sich um, um Godrichs struppiges Fell zu kraulen. Der große Hund hatte mitzukommen beschlossen und sprang hinter Tom und Ruby nach draußen.
Liesel folgte ihnen und bewunderte erneut den Anblick des Mannes in Stiefeln und Reithose. Was war das nur mit dieser Kluft, dass Mädchenherzen dabei zu hüpfen begannen wie ein bekifftes Känguruh? Vielleicht, weil sich die Beine und der Hintern darin so gut abzeichneten, genauso lustvoll und schmeichelnd wie Lippenstift auf vollen Lippen. Vielleicht war es auch das Versprechen einer Peitsche? Egal was, als er ihr die Hand reichte, um ihr über die Ginsterhecke zu helfen, die die Grenze zwischen dem gepflegten Rasen und dem Streifen Küstenlandschaft zum Strand hin markierte, musste sie erst einmal tief durchatmen, ehe sie sie ergriff.
Gott sei Dank boten die beiden Hunde eine willkommene Ablenkung. Liesel lachte laut auf, als die beiden Tiere aufgeregt die Steinstufen hinabtollten und um die Wette zum Flussufer rasten. Dann bremste Godrich, tauchte eine Pfote ins Wasser und zuckte zusammen wie ein altes Frauchen, weil die Temperatur ihm nicht behagte.
Ruby aber war einfach weitergerannt und hatte sich mit
dem Bauch zuerst ins Wasser geworfen. Jetzt paddelte sie in weiten Kreisen umher, als wäre sie schon ihr ganzes Leben lang geschwommen und nicht zum allerersten Mal. Als Godrich sah, wie seine neue Freundin das Wasser meisterte, ohne sofort zu ertrinken, sondern es ungeheuer genoss, holte er tief Luft und stürzte sich ebenfalls hinein.
Zuerst ging er mit den Vorderpfoten ins Wasser, und als es ihm nichts tat, holte er die Hinterpfoten nach.
»Sieh mal, sie hat ihn mutiger gemacht.« Tom nickte anerkennend und Liesel duzend.
»Sie regt ihn zu vielem an. Er liebt Ruby.«
Liebe war vermutlich eine Untertreibung. Godrich betete den kleinen Hund mit einer zärtlichen, brüderlichen Leidenschaft an. Wo immer Ruby auch war, Godrich war nicht allzu weit entfernt zu finden, und der arme, ergebene Alex bildete stets das Schlusslicht. Godrich hatte sich auch angewöhnt, Ruby zu imitieren, und erlebte so eine zweite Jugend, was für ihn sehr gut war. Tom hatte das genau so vorausgesehen, als er Liesel dazu überredet hatte, den Hund zu nehmen.
Es war, als würde Ruby Godrich zeigen, was ein Hundeleben wirklich bedeutete.
Und als Tom Ruby jetzt beibrachte, auf Kommandos wie Sitz, Platz und bei Fuß zu reagieren, lernte Godrich das ebenfalls.
Liesel sah zu, die Hände tief in die Taschen gesteckt.
Wie geduldig Tom war. Die Tiere gehorchten ihm und bekamen als Belohnung ein kleines Stück Hühnerfleisch oder einen liebevollen Klaps. Nach einer Stunde hatte er Ruby so weit gebracht, sich auf Kommando zu setzen, sich hinzulegen und bei Fuß zu gehen. Außerdem folgte sie fast jedes Mal
auf seinen Ruf, solange nichts in der Nähe war, was das kleine Tier interessierte, freute oder ablenkte.
Liesel hatte noch nie vorher ein Tier gehabt, obwohl sie sich immer eins gewünscht hatte. Sie staunte, wie sehr sie sich in kürzester Zeit in Ruby verliebt hatte. Sie konnte sich das Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
»Wie clever sie ist«, sagte sie stolz, als Ruby eine tief fliegende Möwe ignorierte, um zu Tom zurückzukehren. »Ich kann es nicht glauben, wie viel du ihr schon beigebracht hast.«
»Godrich kannte ja bereits die meisten Manöver.«
»Ja, aber bisher hat er
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