Verliebt bis unters Dach Roman
und Kreideweiß leicht nautisch. Es war ein sehr schöner Raum, doch Tom entschuldigte sich sofort: »Ich weiß, es sieht aus wie aus einem Katalog. Aber so oft bin ich gar nicht hier. Die Arbeit.«
Liesels Blick fiel sofort auf das einzig persönliche Objekt im ganzen Raum.
Das Foto von Caroline.
»Sie ist sehr hübsch«, sagte sie eifersüchtig.
»Im letzten Jahr haben wir einander kaum gesehen«, erwiderte er, als würde das ihre Schönheit irgendwie schmälern.
»Aber ihr telefoniert miteinander?«
»Ja, aber wir verpassen einander sehr oft.«
»Absichtlich?« Es war scherzhaft gemeint, aber die Frage klang auch irgendwie hoffnungsvoll.
»Ja, vielleicht«, gab er zurück und wurde sich zum ersten Mal eines unbewussten Wunsches danach bewusst.
»Sie sieht nett aus... ist sie das auch?«
Sie wollte, dass er über sie sprach. Vermutlich war es das gleiche Lustgefühl, wie wenn man eine Wunde wieder aufkratzt.
Tom dachte über die Frage nach, weil er sich das noch nie überlegt hatte. Wenn andere Caroline beschrieben, fielen immer die Worte schön, intelligent, ehrgeizig, dynamisch - aber nie »nett«. Lag das vielleicht daran, dass sie nicht nett war?
Liesel war nett, absolut nett, und zwar nicht auf die langweilige Art, wie man »nett« manchmal beschreibt - im Sinne von gut, freundlich und liebevoll. Es waren alles Worte, die im Laufe der letzten Jahre nicht mehr als Kompliment galten, sondern eher als Beleidigung.
War Caroline nun nett oder nicht?
Er schüttelte den Kopf, nicht verneinend, sondern um die Frage und damit auch Caroline aus seinem Hirn zu vertreiben. Aber es war nicht bloß eine schlichte Kopfbewegung. Toby hatte Recht. Er war nicht der Typ, der Frauen hinterging. Warum stand er dann hier? Warum hatte er seine Freunde angerufen, mit denen er heute Abend verabredet gewesen war, um sich in Padstow zu treffen statt in Rock? Harry hatte lachend geantwortete: »Keine Sorge, Junge, wenn du das willst. Aber ich sehe es nicht ganz ein, denn du bist in Port Isaac und wir sind in Rock. Gefällt dir der Blick von Padstow aus besser? Sag ja nicht, es hat mit einer Frau zu tun, denn wenn Caroline nicht da ist, hast du freie Bahn...«Aber dann hatte er schallend gelacht, als wäre die bloße Idee, dass Tom Caroline betrügen würde, ebenso absurd wie zu kündigen.
Das war auch so.
Für jemanden, für den die Frauen jederzeit ihren Mantel - mit sich darinnen - vor ihm über eine Pfütze werfen würden, schien er sich dieser Tatsache gänzlich unbewusst zu sein. Er hatte eine Naivität, die weniger freundliche Menschen und Leute, die ihn nicht gut kannten, als sehr raffiniert bezeichnen würden.
Er hatte erst gemerkt, dass Liesel in ihn verliebt war, als er sich selbst in sie verliebte. Trotz eines Intelligenzquotienten, um den er von manchen, die es gerade eben in den Mensaclub geschafft hatten, beneidet worden wäre, hatte diese Erkenntnis ihn wie ein Schock getroffen.
Sie schien sich mit den gleichen Gedanken zu beschäftigen.
»Ich bin eigentlich nicht der Typ Mädchen, der so was macht«, sagte sie und sah ihn teils hoffnungsvoll, teils entschuldigend an.
»Das weiß ich. Und das genau ist eines der Dinge, die mir an dir so gefallen.«
Eines der Dinge? Das hieß, es gab noch mehr. Liesel wollte nicht weiter überlegen, was das sein konnte. Wie konnte sie nach diesem Abend überhaupt noch daran zweifeln, welche Gefühle er für sie hegte? Er hatte von ihrer Verabredung mit Sean gehört und war nach Padstow gekommen, um sie zu suchen. Die einzige Frage, zu der noch die Antwort fehlte, war, was würde auf diesen Abend folgen? Momentan war das eine Frage, über die sie überhaupt nicht nachdenken wollte. Nicht jetzt, nicht hier, mit ihm. Nicht, als er zärtlich ihr Gesicht in beide Hände nahm und sie an sich zog, um sie wieder zu küssen.
Als Tom die Augen öffnete, sah er, dass Liesel über seine Schulter hinweg auf das Foto von Caroline starrte.
Er war nicht der Typ, der ganz bewusst und grob das Foto umgedreht oder es in einer Schublade versteckt hätte, daher griff er einfach nur hinter sich und stellte es auf die Küchenanrichte hinter den Toaster.
Aus den Augen, aber noch nicht aus dem Sinn, dachte Liesel, aber es war der nächste Kuss und nicht der Toaster, der das Bild des lächelnden Mädchens mit den tiefblauen Augen aus ihrem Kopf vertrieb. Als sie langsam die Augen schloss,
war es, als würde ein Schleier langsam über das Foto gesenkt, das sie hinter seinem Rücken immer
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