Verliebt in einen Fremden
das fade, geschmacklose Essen appetitlicher gestalten könnte. Camille war sich plötzlich unsicher, ob ihm die neuen Räumlichkeiten auch gefielen. Sie kümmerte sich um jede Kleinigkeit und stellte die Möbel zigmal um, bis sie endlich zufrieden war.
Ihre Beziehung mit Zack lastete schwer auf ihrer Seele. Dearly und Simon hielten sich wohlweislich mit Kommentaren zurück, obwohl ihnen die Spannungen nicht verborgen blieben. Und sie wussten natürlich auch, dass Camille in das Nachbarzimmer umgezogen war und nicht mit ihrem Mann zusammen schlief. Rayburn, der zukünftig im Parterre wohnte und keine Treppen steigen durfte, würde das gottlob nicht wahrnehmen. Zumindest nicht sofort. Insgeheim fragte sich die junge Frau, wie lange sie es noch fertig brächte, das Schmierenstück, das sie im Krankenhaus aufführten, zu Hause weiterzuspielen? Hand in Hand gingen sie durch die Klinikflure, Zacks Schenkel an ihren geschmiegt. Wenn sie vor Rayburns Krankenbett standen, legte Zack ihr häufig einen Arm um die Schultern oder um die Taille und zog sie eng an sich. Oder er fasste ihre Hand und streichelte mit dem Daumen über ihren Puls. Bevor er die Hand loslieÃ, drückte er seine warmen Lippen sanft auf ihre Fingerkuppen. Einmal hatte er mit seinen Fingern geistesabwesend
ihren Arm hinauf- und hinuntergestreichelt, so dass sie unvermittelt wohlig erschauerte. Ein paar Mal hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt und ihr einen Kuss auf die Stirn gehaucht, sein Atem heià auf ihrem weich gelockten Haaransatz.
Camille war sich klar, dass diese Gesten nur den einen Zweck hatten, ihren Schwiegervater zu beruhigen. Folglich machte sie mit, obwohl sie ständig das Gefühl hatte, dass ihr Körper sie verriet. Wie sollte es weitergehen, wenn Rayburn erst wieder zu Hause wäre? Wie lange noch vermochte sie diese kleinen Zärtlichkeiten scheinbar locker wegzustecken? Am liebsten hätte sie sich in Zacks Arme geflüchtet und darum gebettelt, er möge die Sehnsucht ihres Herzens stillen und das lustvolle Verlangen befriedigen, dessen Vorhandensein sie immer geleugnet hatte.
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George Daniels hatte es sich nicht nehmen lassen, Rayburn persönlich nach Hause zu fahren. Folglich konnten die Bewohner von Bridal Wreath das Familienoberhaupt vor vertrauter Kulisse begrüÃen.
Das junge Paar stand vor dem frisch renovierten Hauptportal und beobachtete, wie die schnittige Limousine über die Allee glitt, deren Belag inzwischen erneuert worden war. Als der Wagen sich näherte, legte Zack besitzergreifend einen Arm um Camilles Taille. Bestimmt bildete sie sich nur ein, dass seine Finger dabei bewusst ihren Busen streiften. Aber wieso blieb ihr dann eigentlich die Luft weg? Und warum zuckte Zack zusammen?
Als Rayburn die Eingangstreppen hochstieg und Dearly kurz an sich drückte, weinte sie vor Rührung in ihr Taschentuch. Dann schüttelte er Simon die Hand und umarmte Camille und Zack gemeinsam.
»Willkommen zu Hause, Dad. Wir sind froh, dass du
wieder bei uns bist.« Zacks Stimme klang etwas belegt, als er dies sagte. Camille schwante, dass er mühsam um Fassung kämpfte. Er liebte seinen Vater sehr. Immerhin wusste sie aus eigener Erfahrung, wie weit diese Liebe ging. Welcher Mann heiratete schon eine Frau, zu der ihn nichts hinzog, nur um seinen Eltern einen Gefallen zu tun?
Allesamt in gespannter Erwartung, führten sie Rayburn ins Haus. Er blieb einen langen Augenblick in der Halle stehen und bestaunte, wie sich das Haus seit Camilles Engagement verwandelt hatte. Gemächlich trottete er von einer Tür zur anderen, steckte den Kopf in die jeweiligen Zimmer und betrachtete verwundert die wiederhergestellte Schönheit des Hauses, an dem er so sehr hing. In seinen Augen schimmerten Tränen, als er sich zu Camille drehte und die Arme ausbreitete. Ohne zu zögern ging sie zu ihm und umarmte den alten Mann herzlich. Ãber seine Schulter hinweg bemerkte sie zufällig Zacks Blick. Er schien ihr sanfter, die grimmigen Linien um seinen Mund waren weniger tief eingegraben, als sie es seit dem Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht waren. Seine Miene wirkte gelöster. Sobald er sich beobachtet fühlte, schüttelte er irritiert den Kopf und sagte hastig: »Dad, Camille hat noch eine weitere Ãberraschung für dich.« Sein Gesicht nahm unwillkürlich wieder diesen harten Ausdruck an.
»Ich weià nicht, ob ich heute Vormittag noch fit genug bin
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