Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verliebt in einen Unbekannten

Verliebt in einen Unbekannten

Titel: Verliebt in einen Unbekannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Robinson
Vom Netzwerk:
seinem leicht verwegenen Look, eine stylishe Sonnenbrille auf der Stirn, ein Geschenk unter dem Arm. Obwohl es Juni war, hatte er das Geschenk in Weihnachtspapier gewickelt. »Hi, Chas«, begrüßte er mich, als käme er soeben in unser Wohnzimmer geschlendert. »Was läuft?«
    Hailey warf ihm einen verzweifelten Blick zu. »Was läuft? Sie wurde bewusstlos von deiner Verlobungsparty abtransportiert, Sam. Das läuft.«
    Sam nahm die Pralinenschachtel. »Stimmt.« Seine großen grünen Augen leuchteten in kindlicher Freude, als er seine Auswahl traf. Ich ertappte mich dabei, dass ich über ihn lächelte wie eine nachsichtige Mutter. Obwohl er der bestaussehende Mann in ganz Edinburgh war, hatte ich nie mehr gewollt, als ihn zu bemuttern: Ich hatte ihm den Nacken massiert, hatte ihm gesundes Essen vorgesetzt … solche Dinge eben. Mit ihm ins Bett hätte ich nicht um alles in der Welt gewollt – zum Teil weil er Frauen gegenüber echt ein Schwein war, doch hauptsächlich, weil ich schon so lange mit ihm zusammenwohnte. Ich wusste, dass Sam im Grunde ein großes Kind war.
    An dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, trug Sam sein T-Shirt auf links, und abgesehen von seinem unglaublich guten Aussehen unterschied er sich in nichts von der Flut netter Jungs, die durch die Flure unseres Wohnheims schlurften. Sie alle wirkten leicht verloren ohne ihr gemütliches Elternhaus und ihre bügelnden Mütter (auch wenn ihnen das Unileben mit seinen Möglichkeiten zu schier unbegrenzter Sauferei und Vögelei mehr als genug Trost bot). Sam hatte einen schrecklichen Kater und war versehentlich ein Stockwerk zu früh aus dem Fahrstuhl gestiegen, so dass er in Haileys und meinem Zimmer in der neunten Etage landete anstatt in seinem eigenen Zimmer in der zehnten.
    Â»Oh, hallo«, sagte er, überrascht, wenngleich völlig unbeeindruckt, dass zwei Mädchen auf dem Fußboden saßen und über einem Edgar-Allan-Poe-Gedicht brüteten, das sie angeblich liebten, aber nicht wirklich verstanden.
    Â»Hallo«, erwiderten wir, leicht eingeschüchtert ob der Schönheit des jungen Mannes, der da – ganz aus freien Stücken – in unser Zimmer spaziert kam. Schlussendlich ging Sam auf, dass er sich vertan hatte, doch er machte keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen. Stattdessen durchquerte er das Zimmer und öffnete die Flasche Glenfiddich, die Dad mir zum Abschied geschenkt hatte. Dann ließ er sich auf unser Sofa fallen und machte sich über den Whisky her, während er laut überlegte, wie es ihm wohl gelungen sein mochte, so viele Frauen abzuschleppen. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck aufrichtigen Erstaunens. »Dabei habe ich es gar nicht drauf angelegt«, grübelte er und schaute mich verwirrt an. »Neulich bin ich ins Theater gegangen, und irgendein Mädchen hat mich anschließend noch auf ein Glas zu sich eingeladen und mir dort plötzlich ihre Brüste ins Gesicht gedrückt. Das war echt krass …«
    Hailey und ich schüttelten erstaunt die Köpfe, auch wenn wir das Verhalten des Mädchens sehr gut nachvollziehen konnten.
    Trotzdem war uns beiden klar, dass wir niemals so weit gehen würden, egal, wie gut er aussah. Es wäre einfach nicht richtig. Und so wurden wir zu einem ungleichen Dreigespann: ich, eine schlaksige Streberin, die nervös wurde, sobald sie der Bibliothek den Rücken kehrte; Hailey mit ihrem eher klassischen Studentenleben aus Alkohol, sporadischen Vorlesungsbesuchen und gescheiterten Liebschaften – und Sam, der sich durch sein Studium der Theaterwissenschaften treiben ließ, sich für seine Bühnenproduktionen die Haare lang züchtete und eine Schar wild gewordener Mädchen in seinem Kielwasser hinterließ. Er sammelte sie überall auf. Einmal sah ich, wie er eine Kommilitonin im Supermarkt abschleppte, obwohl er eine oberpeinliche Hose aus dem Theaterfundus trug. Ich versteckte mich hinter einem riesigen Turm aus Gummibärchen und beobachtete ihn neidisch. Warum gelang es mir, die ich mir immer so viel Mühe gab, mich tadellos zu kleiden, nicht einmal, den Männern ein Lächeln zu entlocken? Sie schienen es eher mit der Angst zu tun zu bekommen und schnurstracks vor mir davonzulaufen.
    Sam warf sich eine Praline in den Mund, während Dad einen misstönenden Akkord auf seinem Banjo anschlug, der mich in die Gegenwart zurückholte.

Weitere Kostenlose Bücher