Verliebt in einen Unbekannten
meiner realen Welt â nicht durchziehen würde. Bei Fremden in einem Hotel, wo ich niemandem Rechenschaft schuldig war, könnte ich mich dagegen nur allzu leicht zu meiner albernen Mission davonstehlen. Vielleicht, ganz vielleicht , bestand die Chance, dass ich es in Katys Haus in Brixton, in dem sich für gewöhnlich ein Haufen verrückter, kreativer Leute tummelte, einfach bleiben lassen würde.
Vielleicht.
Kapitel sieben
Am Mittwochmorgen â dem Tag des Dates â wachte ich in Katys Gästezimmer auf und wusste, dass ich den Plan durchziehen musste. All die (vielen) Gründe, warum ich nicht zu Polpo gehen sollte, waren seltsamerweise aus meinem Bewusstsein getilgt: Jetzt ging es ums Ganze. Ich konnte es nicht ertragen, in Was-wäre-wenn-Agonie zu verfallen. Ich musste etwas unternehmen.
Das Problem allerdings bestand darin, dass mein Plan bestenfalls grob umrissen war. Abgesehen von der vagen Vorstellung, dass ich um neunzehn Uhr dreiÃig im Polpo sein und dabei absolut umwerfend aussehen musste, hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich eingreifen sollte, wenn William und Shelley italienische Tapas aÃen. Sollte ich eine Prügelei anzetteln, um seine Aufmerksamkeit zu wecken? (Vielleicht mit Shelley?) Mich in einem Wahnsinnskleid neben sie setzen und tragisch schön aussehen? Hm. Ich könnte natürlich auch in Ohnmacht fallen, damit ein Arzt (sprich William) aufspringen und mir Erste Hilfe leisten musste.
PAH ! REISS DICH ZUSAMMEN ! Tatsache war, dass Shelley Cartwright heute Abend ins Restaurant marschieren und William mit ihrer geheimnisvollen Kälte bezirzen würde. Letztendlich würde sie ihre Schutzmauern einreiÃen, und die beiden würden sich wahnsinnig ineinander verlieben und heiraten. Sie würde in sein Doktorhaus in Bloomsbury ziehen, und ich würde in Edingburgh hängen bleiben, mit einem steifen Bein und einem depressiven Mitbewohner, der in der Dusche von grausamen Harpyien sang. Von meiner psychopathischen Stellvertreterin bei der Arbeit ganz zu schweigen.
Margot. Ich schauderte. Es war eine groÃe Erleichterung gewesen, Salutech gestern Nachmittag zu verlassen und zum Flughafen zu fahren. Nichts hatte sich im Büro geändert. Margot hing den GroÃteil des Tages am Telefon, sprach mit meinen Kontakten und weigerte sich, mir mitzuteilen, was los war, mit der Begründung, sie sei »einfach zu beschäftigt«. Es war lange her, dass ich in der Presse-und-Kommunikations-Abteilung bei Salutech gesessen hatte und nicht über jede noch so kleine Kleinigkeit informiert gewesen war. Machtlos zu sein passte so gar nicht zu mir.
Ich schwang die Beine aus dem Bett und humpelte in Katys Küche. Sam im Wohnzimmer schlief noch. Die Morgensonne fiel auf sein engelhaft weiches Haar und lieà ihn aussehen wie ein groÃes, leicht schmuddeliges Katzenjunges. Katy, er und ich waren gestern Abend ins Fujiyama zum Nudelessen gegangen, und als ich ihm zusah, wie er steif und förmlich mit ihr redete â um absolut klarzustellen, dass er nicht auf Abschlepptour war â, fühlte ich mich noch schlechter als nach meinem Ausbruch von Montag. Sam war momentan alles andere als verführerisch. Ich lächelte zärtlich und schlich in die Küche, wo ein nicht identifizierbarer junger Mensch schlafend auf einem Stuhl saà und eine Flasche Tomatensaft umklammert hielt. Auf Zehenspitzen tapste ich an ihm vorbei, froh, dass ich in naher Zukunft nicht wieder bei Katy übernachten musste. Ich liebte meine ausgeflippte kleine Schwester, doch ihr Lebensstil war mir ein Rätsel. Ich öffnete den Kühlschrank â der so gut wie leer gewesen war, als wir gestern Abend aus dem Haus gegangen waren â, und wie zur Bestätigung entdeckte ich etwa tausend Karotten in den Fächern. » NICHT ESSEN « stand auf einem Zettel, der an einer der Karotten klebte. » MORGEN KURS IM GEMÃSESCHNITZEN .«
Die Milch, die ich gestern gekauft hatte, war verschwunden. Offenbar hatte sie Platz für die Karotten machen müssen. Also kein Kaffee für mich.
Mist. Seufzend lieà ich mich auf den Stuhl neben Tomatensaftboy fallen und fragte mich, was William im Augenblick wohl machte. Frühstückte er? Was frühstückte er? Ich stellte mir englische Klassiker vor wie Kedgeree, ein Reisgericht mit Fisch und Eiern, Räucherhering oder Blutwurst. Er wäre ein Filterkaffee-mit-Vollmilch-Mann, der
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