Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)

Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)

Titel: Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
Vom Netzwerk:
war ihr selbst klar. Nun gut, bisher hatte er sich noch nicht bei ihr gemeldet, sodass sie noch eine kleine Schonfrist hatte, um über diese Frage und damit vielleicht über ihre ganze Zukunft zu entscheiden. Die nächste Hürde war jetzt erst einmal eine weitere Arbeitswoche im Atelier, in der sich vielleicht eine neue Möglichkeit bieten würde, Jo zumindest kurz wiederzusehen. Hoffentlich …
    Am Montagvormittag war Frau von Thalbach zur ersten Anprobe ihres Abendkleids bestellt. Es war zu erwarten, dass keine in der Werkstatt auch nur einen Stich machen konnte, solange die adelige Kundin anwesend war. Sie ließ sich relativ häufig etwas Außergewöhnliches anfertigen und hielt für gewöhnlich die gesamte Mannschaft auf Trab – was die Chefin ausdrücklich unterstützte.
    Auch an diesem Morgen war es nicht anders. Azubi Jasmin wurde direkt nach Ankunft der Dame in die Apotheke geschickt, weil Frau von Thalbach heftigste Kopfschmerzen plagten.
    »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich gar nicht besonders gut. Könnten das eventuell schon die Wechseljahre sein?«, fragte sie kokett und nahm huldvoll die Versicherung entgegen, das wäre angesichts ihrer offensichtlichen Jugendlichkeit keinesfalls möglich. Wie immer bat sie mit Leidensmiene um eine Tasse Tee »nicht schwarz und auf keinen Fall länger als neunzig Sekunden gezogen«.
    Die Stichsäge umkreiste sie ständig wie ein schwanzwedelnder Hund, der auf ein Leckerli hofft. Dabei beteuerte sie gebetsmühlenartig, wie gut die Kundin in der neuen Maßanfertigung und natürlich überhaupt immer aussehe.
    Die Belohnung folgte auf dem Fuße. »Ach, liebe Frau, Sie sind wirklich Balsam für meine Seele. Und Ihre Kreationen sichern mir einen Platz im Olymp der High Society.« Mona stieß Emma in die Seite und verdrehte hinter dem Rücken der Chefin die Augen. Doch die hatte Frau von Thalbachs Leckerli bereits geschluckt und mit einem breiten, zufriedenen Lächeln verdaut.
    »Emma, Steckigel, hopp, hopp«, verlangte sie wie ein Arzt im OP, der nach dem Skalpell ruft, und klatschte laut in die Hände. Dann begann sie sorgfältig die notwendigen Änderungen abzustecken, während sie unentwegt Lobeshymnen auf die Kundin sang, in denen diese, im türkisfarbenen gehefteten, nadelgespickten Abendkleid-Rohling, wie eine Prinzessin badete.
    »Noch ein Wort, und ich muss mich auf der Stelle in die Spüle übergeben«, zischte Mona, als sie mit Emma in der kleinen Küche eine weitere Tasse Tee und »ein bisschen Gebäck« für die Kundin holte.
    »Aber bitte leise, damit Ihre Hoheit nicht gestört werden«, bekam sie in strengem Ton zur Antwort.
    In diesem Moment kam Jasmin mit einem Medikamentenarsenal vom Umfang einer mittleren Hausapotheke zurück in den Laden, und gleichzeitig klingelte das Telefon. Da die Stichsäge ausnahmsweise nicht sprechen konnte, weil sie den Mund voll mit Stecknadeln hatte, bedeutete sie Emma, das Gespräch anzunehmen.
    »Atelier Kreuzstich, Emma Jacobi am Apparat«, meldete sich Emma unsicher, denn es kam nicht gerade häufig vor, dass die Chefin eine ihrer Angestellten freiwillig ans Telefon ließ.
    »Hier Schubert, Produktion ›Amtliche Gefühle‹. Könnte ich bitte Frau Stich sprechen?«
    Emmas Herz klopfte augenblicklich mindestens doppelt so schnell wie üblich. Sie stotterte »einen Moment« und hielt der Chefin aufgeregt den Hörer hin.
    »Hmmm hmm hmmm hm hm hm«, machte diese unwillig mit ihrem Stecknadel-Mund und schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Dutt ruckartig über den Stoff des abzusteckenden Abendkleids scheuerte. Die darin befindliche Kundin zuckte erschrocken zurück und stieß einen leisen, spitzen Schrei aus.
    Emma hatte inzwischen die Sprache wiedergefunden: »Tut mir leid, Frau Stich ist im Moment in einer wichtigen Anprobe. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    »Danke, Kindchen, bringen Sie mir doch noch ein Gläschen stilles Wasser dazu«, plärrte Frau von Thalbach dazwischen, meinte jedoch Jasmin, die ihr soeben untertänigst eine Kopfschmerztablette aus ihrem Reservoir gereicht hatte. Emma steckte einen Finger in das hörerfreie Ohr und versuchte, sich auf die Antwort am anderen Ende der Leitung zu konzentrieren.
    »Es müsste ganz dringend jemand von Ihnen vorbeikommen und das Dirndl noch einmal abholen«, hörte sie zu ihrer Freude. »Wir hätten da einige Änderungen, die wir hier nicht vornehmen können. Ich müsste das allerdings einem Fachmann hier vor Ort am Modell erklären. Wäre das

Weitere Kostenlose Bücher