Verliebt, verlobt, verflucht
Valera Runnin geheiratet. Ihr Kind hieß Simon Brebin. Es folgten Natalies Großvater und seine einzige Tochter Maria Brebin, die wiederum jemanden aus der vierten Linie geheiratet hatte, Natalies Vater. Er hatte seinen Namen, Pelcin, abgelegt und den Namen seiner Frau angenommen. Luca und Maria Brebin waren Mitglieder des Ordens, Natalie selbst war ein Mitglied der Sefloradas, und all die Jahre hatten ihre Eltern ihr das verschwiegen!
Natalie wurde schwindelig vor Aufregung und Empörung, sie rutschte vom Stuhl und wurde vom perplexen Bücherschlund aufgefangen, der ihr wieder aufhalf.
Der Professor lächelte nachsichtig.
Natalie keuchte. »Meine Eltern sind Mitglied in einem Geheimorden?«
Professor Marzin nickte.
Natalie war sprachlos.
»Falls du dich fragst, warum wir unsere Namen ändern - das ist eine gängige Praxis der Gründermitglieder. Wir wollen dadurch Spione verwirren, und davon gibt es nicht geradewenige. Die Schwarzen Schatten und Hochelben zahlen gut für Informationen über die Sefloradas, doch ich meine, behaupten zu können, dass sie durch diese Taktik nicht wissen, wer die heute lebenden Nachkommen sind, dass sie also auch von dir nichts wissen.« Er deutete auf sie.
Natalie schluckte. Mit einem solchen Spion hätte sie gestern Abend beinahe geknutscht! Tausend Gedanken schossen durch ihren Kopf. Hatte Artus ihr womöglich deshalb einen Liebesbrief geschrieben? Wollte er am Ende nur Informationen aus ihr herauspressen?
Das beschäftigte Natalie noch mehr als das Geheimnis der Sefloradas.
Aber konnte das wirklich stimmen?
Der Professor lächelte nur.
»Meine Eltern hätten mir schließlich erzählt, wenn sie Mitglied eines Geheimbundes wären«, fügte Natalie verzweifelt hinzu.
»Nein, nicht wenn sie dich schützen wollten. Du solltest eine ganz normale Kindheit und Jugend haben und erst mit achtzehn Jahren selbst entscheiden, ob du in den Geheimorden eintreten willst.«
Natalie war sprachlos. Ihre Eltern waren Mitglied in einem Geheimorden. Sie hatte an der Treppe doch richtig gehört, dort war das Wort Orden gefallen. Das war der Beweis. Die vielen Theaterbesuche ihrer Eltern und der vermeintliche Elternabend mit dem Professor waren womöglich nur Teil einer Farce. Natalie wurde wieder schwindelig. Abermals stürzte der Bücherschlund herbei und verhinderte ihr Aufprallen auf dem Boden.
Dafür bist du noch zu klein, mein Prinzesschen! Aber der Tag wird kommen und du wirst alles erfahren , geisterte die Stimme ihres Großvaters durch ihren Kopf. Das war ein Hinweis. Doch warum hatten ihre Eltern ihr die Ordensmitgliedschaft verschwiegen, und warum hatte Natalie nie etwas davon gemerkt? Sie fühlte sich betrogen.
»Ich erzähle dir all das, weil du mit einen Eltern reden musst«, setzte Professor Marzin wieder an. »Ich finde es nicht gut, dass sie dich nicht einweihen. Zwar erlaubt ein Ordensgesetz den Eltern, ihren Kindern die Zugehörigkeit zum Orden bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag zu verschweigen. Dennoch brauchen wir jungen Nachwuchs dringender denn je. Wir sind nur an die fünfzig verbliebenen Nachkommen und beschützen Peretrua mit seinen hunderttausend Einwohnern, angeführt von unserem König, dem Bürgermeister.«
Natalie überprüfte schnell mit ihrer Lupe die Königslinie – tatsächlich, Bürgermeister Alcatorre war auch der König der Sefloradas. Er war der Letzte seiner Linie, kinderlos.
Der Professor bemerkte ihren angewiderten Gesichtsausdruck und lächelte belustigt. »Aus praktischen Gründen wurde der König im ersten Gründerjahr auch Bürgermeister Peretruas und seine Nachkommen taten es ihm meistens nach. Wie auch immer, dunkle Zeiten kommen auf uns zu. Das tausendunderste Jahr ist mit der Gründungsfeier vor einem Monat angebrochen und ich spüre, wie immer mehr Schwarze Schatten in die Stadt dringen und der Stolz der Hochelben die Gassen einnimmt.«
Der Professor fasste sich an seinen Hemdkragen, als ob er eine unsichtbare Schlinge um seinen Hals spüren würde.
»Aber solange der Erbe des Königs keinen Pakt mit den Schwarzen Schatten oder den Hochelben abschließt, passiert doch nichts, oder?«, fragte Natalie neugierig.
»Hast du die abgerissene Seite nicht bemerkt? Sie wurde im ersten Krieg mit der Seemacht der Wiradonisinseln im vierhundertsten Gründerjahr aus allen Büchern entwendet.«
Natalie schaute wohl sehr ratlos drein, denn der Professor erklärte entnervt: »Die Wiradoniskriege! Meine Güte, Natalie, hast du bei mir in Geschichte
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