Verliebt Verlobt Vergeltung - Roman
Show abzieht und näher ans Netz kommt. Er weiß nämlich ganz genau, dass ich nicht genügend Kraft für ein Ass habe und den Ball nie über die Grundlinie bekomme. Nah am Netz steht er, wippt leicht auf den Füßen, den Schläger mit beiden Händen umfasst, und wartet auf meinen Aufschlag.
»Komm schon, Maddy! Ich will hier nicht den ganzen Abend rumstehen!«, ruft er. Das ist ziemlich schlechter Stil und verstößt gegen die Etikette auf dem Platz. Und unsportlich ist es noch dazu, hier so rumzuschreien. Aber in seinen weißen Shorts sieht Carlton schon verdammt gut aus.
Ich werfe den Ball hoch, hole mit dem ganzen Körper aus und ziehe voll durch. Ein sehr guter Aufschlag. Ich höre, wie der Ball mit einem hellen Ping! auf meinen Schläger trifft. Ein herrliches Geräusch, dieser Schlag auf die straff gespannten Saiten. Wie Musik in meinen Ohren.
Gegenüber holt Carlton kräftig aus und schlägt auf den Ball, als würde er Baseball spielen. Elegant ist das nicht, aber er kriegt ihn übers Netz. Ich schlage einen Return. Er kontert. Wir liefern uns einen ehrgeizigen Ballwechsel, spielen die Bälle hart und schnell und schneiden sie dabei gekonnt an. Meine Bewegungen sind jetzt sicher und flüssig. Ich bin ganz in meinem Element. Hin und her geht es, vor und zurück. Wumm, wumm, wumm … Ich sehe Carlton dem Ball hinterherjagen. Er hat Schwierigkeiten, ganz eindeutig. Und ich weiß auch genau, was er jetzt denkt: »Nicht ins Netz hauen, bloß nicht ins Netz hauen.« Und genau das tut er dann.
»Scheiße!«, brüllt er, schmeißt den Schläger auf den Boden und schleicht wie eine gereizte Raubkatze im Kreis herum.
Vielleicht sollte ich doch ein bisschen Tempo rausnehmen.
»Du mogelst ja auch - du mit deinem Schläger!«, ruft er.
Genau. So wird es sein.
Ich gehe ans Netz. Ganz ruhig. Wie ein Profi.
»Hier, Schatz«, sage ich. »Lass uns tauschen.«
Er kommt zum Netz gelaufen, reißt mir den Slazenger aus der Hand und wirft mir seinen Wilson rüber.
»Jede Wette, dass das Blatt sich gleich wendet«, motzt er. Ich sehe, wie ihm der Schweiß von der Stirn tropft. Ärgerlich wischt er sich mit dem T-Shirt über das Gesicht.
»Herrgott noch mal, ist das scheißwarm!«, brüllt er.
»Herrlich«, sage ich.
Carlton starrt auf seine Tennisschuhe von New Balance. »Du regst mich echt auf«, ruft er.
»Du hast Aufschlag«, sage ich und werfe ihm einen Ball zu. Ich versuche, nicht zu lachen, als er ihn ganz cool mit dem Schläger auffangen will, aber natürlich übertreibt er es mal wieder. Der Ball prallt ab und hüpft davon. »Du kleines Miststück!«, schreit Carlton und jagt ihm hinterher.
Er geht lässigen Schrittes an die Grundlinie. Ein Mann, der weiß, dass er gewinnen wird. Er winkt mir mit dem Slazenger zu und ruft: »Mal sehen, wer j etzt mehr Saft im Schläger hat!«
Dann holt er aus und schlägt auf. Der Ball saust an mir vorbei.
Triumphierend reißt Carlton die Arme hoch. »Ja!«, schreit er und beglückwünscht sich zu seinem Ass.
Er küsst den Schläger.
»Fünfzehn - Null !«, verkündet er.
Ich gehe weit hinter die Grundlinie zurück, denn ich weiß ganz genau, was jetzt kommt. Jetzt fängt der Spaß erst richtig an.
Carlton schmettert abermals, mit noch mehr Wucht. Aber
diesmal bin ich vorbereitet. Ich fange den Ball frontal mit dem Schläger ab und ich höre das vertraute Ping . Das melodische Ping. Genau das Ping, das mir sagt, dieser Ball wird ganz elegant entlang der Linie segeln - unerreichbar.
Ich sehe Carlton dem Ball hinterherhechten, weit ausholen und ihn verfehlen.
Er schaut zu mir herüber. »Zufallstreffer«, sagt er. »Fünfzehn beide.«
Aber klar doch .
Natürlich weiß ich, dass Carlton wegen des morgigen Meetings so gereizt ist, bei dem er nicht nur die Investoren überzeugen muss, sondern auch seinen Vater beeindrucken will. Aber ich bin mindestens genauso nervös.
Ich überlege noch, ob ich Carlton nun gewinnen lassen soll oder nicht, als er schon den Ball an mir vorbeischmettert.
»Dreißig - Fünfzehn, du Versagerin!«, brüllt er. Da er mir sonst eigentlich keine Schimpfnamen gibt, meint er es wohl als Witz. Aber trotzdem. Versagerin hin, Versagerin her, jetzt werde ich ihm mal zeigen, was Sache ist.
Ich sehe Carltons breites Mr-Perfect-Grinsen. Er ist sich absolut sicher, dass er gewinnen wird.
Denk lieber noch mal drüber nach.
Ich beuge mich vor, bereite mich auf den nächsten seiner Aufschläge vor, halte den Schläger locker in den Händen. Carlton
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